Blick in die Ausstellung "1938. Kunst.Künstler.Politik" im Jüdischen Museum Frankfurt. Lotte Laserstein Raum

2013: 1938. Kunst, Künstler, Politik

Über den Kunstbetrieb im Nationalsozialismus

#30JahreJMF Im November 2013 eröffneten wir die Ausstellung „1938. Kunst, Künstler, Politik“, eine Kooperation mit dem Fritz Bauer Institut. In unserer Beitragsreihe zu 30 Jahren Jüdisches Museum blickt unsere Sammlungsleiterin Dr. Eva Atlan zurück.

Die von Julia Voss und mir kuratierte Ausstellung thematisierte die verheerenden Auswirkungen des NS-Regimes auf den Kunstbetrieb. 1938 war das entscheidende Jahr, in dem jüdische Künstler*innen endgültig aus dem Kunstbetrieb ausgeschlossen wurden, wo jüdische Sammler*innen sowie jüdische Kunsthändler*innen enteignet wurden. Jüdische Kunstkritiker*innen wurden aller Veröffentlichungsmöglichkeiten beraubt und jüdische Museumsangestellte entlassen.

Ein brisantes Thema

Uns ging es in dieser Ausstellung um eine wesentliche Korrektur: wir wollten dem gängigen Bild widersprechen, die NS-Kulturpolitik hätte allein die Avantgarde ins Fadenkreuz der Verfolgung und Vernichtung genommen. Wir zeigten auf, dass die Kulturpolitik rassistisch und nicht stilistisch motiviert war und somit vorwiegend jüdische Künstler und jüdische Akteure des Kunstbetriebes traf. Wir machten sichtbar, dass dies auch Auswirkungen bis in die Nachkriegszeit hatte. Zum einen indem wir die Kontinuität im Museumsbetrieb und Kunsthandel darlegten, zum anderen indem wir die in die Vergessenheit geratenen jüdischen Künstler*innen präsentierten, die zur verschollenen Generation gehören.

Eine irritierende Präsentation

Erstmalig haben wir in einer Ausstellung nicht nur Werke der Opfer ausgestellt, sondern auch die der Täter und Profiteure. Hier musste ich ziemlich über meinen eigenen Schatten springen, als wir einen ganzen Raum dem Kunstgeschmack und Kunstraub eines Adolf Hitler und Herman Göring widmeten. In einem anderen Raum versuchten wir, die Besucher*innen weniger durch didaktische Texte, als vielmehr durch die Präsentation selbst an das Thema der Ausstellung heranzuführen. Wir sorgten beispielsweise für leichte Irritation, als wir in einem zentralen Raum der Ausstellung die Werke der Künstlerin Lotte Laserstein präsentierten. Denn die Bilder dieser akademischen Künstlerin wirkten zunächst, als ob sie systemkonform gewesen sei. Lotte Laserstein wurde jedoch wegen ihrer jüdischen Herkunft verfolgt und ihrer beruflichen Grundlagen beraubt. Eines ihrer Gemälde wurde als "entartet" aus der Nationalgalerie Berlin beschlagnahmt. Sie floh 1938 nach Schweden.

Eine außergewöhnliche Architektur

Blick in die Ausstellung "1938. Kunst.Künstler.Politik" im Jüdischen Museum Frankfurt
Blick in die Ausstellung "1938. Kunst, Künstler, Politik" mit ihrer ausgefallenen Fußboden-Gestaltung von Tobias Rehberger.

Eine weitere Irritation bildete die außergewöhnliche Gestaltung der Ausstellung. Wir konnten den Künstler Tobias Rehberger hierfür gewinnen. Während er sich bei der Gestaltung der Wände sehr zurück hielt, entwickelte er einen Fußboden-Parcours aus zusammengesetzten Teppichstücken in verschiedenen Ausführungen und Farben und Untergründen. So sollte für die Besucher*innen die Unsicherheit der thematisierten Zeit erfahrbar werden.

Der Fall Gurlitt

Die Ausstellung hatte eine ganz aktuelle Brisanz: kurz vor Eröffnung sorgte der Fall Gurlitt und die Beschlagnahmung seiner Kunstsammlung für große Aufregung. Somit hatte uns die Aktualität eingeholt und unsere Ausstellung stand weitaus mehr im Rampenlicht als wir uns erhofft hatten. Mit unserem Rahmenprogramm aus Vorträgen und Podiumsdiskussionen konnten wir ein großes und interessiertes Publikum erreichen, dass sich lebhaft an den Diskussionen beteiligte.

Nachwirkung?

Mich freut besonders, dass wir mit dieser Ausstellung tradierte Vorstellungen aufbrechen und widerlegen konnten und dass die Besucher*innen herausragende Künstler*innen wiederentdecken konnten. Eine davon war Lotte Laserstein, der das Staedelmuseum aktuell eine Einzelausstellung widmet.