Die Ausstellung „Mirjam Pressler. Schreiben ist Glück“ präsentiert die gebürtige Darmstädterin (1940 – 2019) in all ihren Facetten: Als Kinder- und Jugendbuchautorin, Übersetzerin sowie erstmalig auch als Künstlerin. Zudem stellt sie die besondere Persönlichkeit Mirjam Presslers heraus: Trotz schmerzhafter Erfahrungen, eines brüchigen Lebens und schwerer Krankheit hat sie sich zeitlebens eine grundpositive Haltung bewahrt. Diese bejahende Lebenseinstellung und ihre große Fantasie spiegeln sich auch in ihren Büchern wider. Pressler vermochte zu träumen – aber auch, ihre Träume Realität werden zu lassen.
Ausgangspunkt für die Ausstellung ist der seit 2021 im Jüdischen Museum aufbewahrte Teilnachlass von Mirjam Pressler. Dazu zählen Manuskripte, Belegexemplare, Korrespondenzen sowie Material rund um Anne Frank. Letzteres hatte Mirjam Pressler in Absprache mit dem Anne Frank Fonds Basel explizit für eine Über gabe an das Archiv des Familie Frank Zentrums im Jüdischen Museum Frankfurt vorgesehen. Der Ausstellungsbereich des Familie Frank Zentrums befindet sich im ersten Stock der Dauerausstellung WIR SIND JETZT des Jüdischen Museums.
Zur Familie Frank hatte Mirjam Pressler eine besonders enge Beziehung. Im Jahr 1987 hatte der Anne Frank Fonds Pressler mit der Neuübersetzung des „Tagebuch der Anne Frank“ aus dem Niederländischen beauftragt. Pressler betrachtete Anne Frank als Schriftstellerin und lobte ihren klugen, selbstkritischen und ironischen Schreibstil. Beeindruckt von der jungen Autorin schrieb Pressler ein Buch über deren kurzes Leben. Sie lernte Anne Franks Cousin Buddy Elias (1925 - 2015) und dessen Frau Gerti (geboren 1933) kennen; es entwickelte sich eine innige Beziehung zu ihnen. Gemeinsam mit Gerti Elias schrieb Pressler „Grüße und Küsse an alle – Die Geschichte der Familie von Anne Frank“ (2009). Im Jahr 2015 stand dieses Buch im Zentrum des Lesefests „Frankfurt liest ein Buch“. Die Familie Frank entwickelte sich für Mirjam Pressler zu ihrer „Herzensfamilie“, wie sie es nannte.
Die Beschäftigung mit dem Tagebuch ließ bei Pressler auch einen Knoten platzen, wie sie notierte: „Als Autorin habe ich jüdische Themen erst gemieden. Bis Anne Frank kam. Die Beschäftigung mit ihr und ihrer Familie hat mich verändert.“ Die Tagebuch-Übersetzung von Mirjam Pressler wird bis heute vom S. Fischer Verlag vertrieben.
Das Tagebuch von Anne Frank ist eine von etwa 350 Übersetzungen, die Mirjam Pressler aus dem Niederländischen, Hebräischen, Englischen, Jiddischen, Flämischen und aus Afrikaans gemacht hat. Dazu zählen unter anderem Bücher von Amos Oz, Lizzie Doron, Batya Gur und Zeruya Shalev sowie Kinderbücher wie „Für Hund und Katz ist auch noch Platz“ von Axel Scheffler und Julia Donaldson. Pressler übersetzte vorwiegend Bücher, die ihr persönlich gefallen haben. Das literarische Lebenswerk Presslers umfasst rund 40 Bücher. Es behandelt überwiegend schwierige Themen wie Angst, Gewalt, Einsamkeit, Behinderung und Esssucht. Und doch sind Lebensmut und Hoffnung stets ein starkes Motiv.
1980 veröffentlichte Pressler ihren ersten Jugendroman: „Bitterschokolade“. Da sie alleinerziehend war, schrieb sie zunächst nachts, während sie tagsüber ihrer Lohnarbeit nachkam. Ihre erste Testleserin vor dem Versand an den Verlag war Presslers älteste Tochter Ronit. „Bitterschokolade“ war und ist ein großer Erfolg: Pressler erhielt direkt nach Erscheinen den Oldenburger Kinder- und Jugendpreis; das Buch wurde in viele Sprachen übersetzt, darunter Türkisch, Koreanisch und Slowenisch. Zu ihren wichtigsten Werken zählte Pressler den 1982 erschienenen Roman „Novemberkatzen“. Anhand der neunjährigen Ilse beschreibt der Roman die unheile Welt eines Mädchens, das versucht, das Beste aus ihrem Leben zu machen. Pressler verarbeitete darin das Lebensgefühl ihrer Kindheit.
Neben diesen sehr persönlichen Inhalten beschäftigen sich viele ihrer Bücher mit jüdischen Themen („Shylocks Tochter“ 1999, „Golem stiller Bruder“ 2007, „Nathan und seine Kinder“ 2009) und erinnern an Überlebensgeschichten im Nationalsozialismus („Malka Mai“ 2001, „Ein Buch für Hanna“ 2011).
Einer der zentralen Romane Presslers trägt den Titel „Wenn das Glück kommt, muss man ihm einen Stuhl hinstellen“ (1994). Presslers Botschaft darin ist, stets offen zu bleiben für das kleine Glück, auch wenn es anders erscheint als erhofft: „Dem Glück einen Stuhl hinstellen – das heißt ja nicht: abwarten oder sogar resignieren, sondern das Glück einladen, ihm eventuell auch ein bisschen nachhelfen.“ Ein von Pressler handbemalter Stuhl steht hierfür sinnbildlich in der Ausstellung – mit ihm wird der Rundgang eröffnet.
Die Ausstellung ist in zwei Ausstellungsbereiche aufgeteilt, gegliedert in sieben Räume – jeder Raum für einen der sieben Träume, welche das Kuratoren-Team für Mirjam Pressler identifiziert hat:
Ausstellungsbereich 1:
Traum vom Schreiben, Traum von Anne Frank, Traum von Israel, Traum vom Judentum
Ausstellungsbereich 2:
Traum vom Malen, Traum von Mutterschaft, Traum vom Übersetzen
Die Ausstellungsarchitektur ist so gestaltet, dass die sieben Träume in sieben Räumen quasi als abgeschlossene Elemente betrachtet werden können, durch die Durchgänge entstehen zwischen ihnen aber Verbindungen. Dadurch wird verdeutlicht, dass diese nicht chronologisch zu betrachten sind, sondern sich wie ein roter Faden durch das Leben von Mirjam Pressler ziehen. Partizipative Angebote laden Besucherinnen und Besucher ein, selbst zu träumen und kreativ zu werden. Leseecken bieten Gelegenheit, Presslers Werk in die Hand zu nehmen und hineinzulesen.
Der Ausstellungsbereich 2 präsentiert eine eher unbekannte Seite von Mirjam Pressler: Als 16-Jährige träumte sie davon, Malerin zu werden. Im Sommer 1957 wurde sie an der renommierten Städelschule in Frankfurt aufgenommen. Nach anderthalb Jahren meldete sich Direktor Prof. Albert Burkart bei Presslers Mutter und bat sie darum, ihre Tochter von der Städelschule abzumelden: „Wir können Ihnen nicht verhehlen, daß wir seit längerer Zeit starke Bedenken über das hiesige Studium Ihrer Tochter infolge ihrer gesundheitlichen Anfälligkeit hegen, zumal sie auch keine ausgesprochene Begabung für die freie Kunst, die wir hier lehren, entwickelt hat…“.
Auch nach dem Studienabbruch 1959 malte Pressler weiter. Die Bildmotive, die sie auf die Leinwand brachte, sind ähnlich persönlich wie ihre späteren Geschichten und wenig gefällig. Sie behandeln zwischenmenschliche Beziehungen, Mutterschaft und Geburt, Sexualität, Männlichkeit und Weiblichkeit.
Als Pressler dann das Schreiben für sich entdeckte, hatte sie schon aufgehört zu malen. Eines ihrer Kinderbücher, „Katharina und so weiter“, illustrierte sie aber selbst; das Buch erschien 1989 jedoch mit Illustrationen von Edith Lang. Zumindest Presslers Skizzen sind aber erhalten und in der Ausstellung zu sehen.
Das Begleitprogramm zur Ausstellung ist auf dieser Webseite zu finden.
Pressematerial zum Download
- Biografie Mirjam Pressler (Download PDF)
- Factsheet zur Ausstellung (Download PDF)
- Mirjam Pressler, 1980er, Foto: Andrea Grosz (Download JPG)
- Mirjam Pressler (rechts) mit Gerti und Buddy Elias © Stefan Gelberg (Download JPG)
- Mirjam Pressler. Schreiben ist Glück, Ausstellungsansicht, Foto: Uwe Dettmar (Download JPG)
- Mirjam Pressler. Schreiben ist Glück, Ausstellungsansicht, Foto: Uwe Dettmar (Download JPG)
- Mirjam Pressler: Ohne Titel, Frankfurt am Main, 1958 © Leihgabe Familie Pressler (Download JPG)