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Über die Mini-Serie „Deutsches Haus“
Manfred Levy
16. November 2023Manfred Levy

Von 1963 bis 1968 fanden in Frankfurt die Auschwitz-Prozesse statt. Wissenschaftliche Publikationen, Dokumentationen und Spielfilme versuchten, die juristische Aufarbeitung der NS-Verbrechen den deutschen Menschen näher zu bringen. 60 Jahre danach hat sich nun auch ein bekannter Streamingdienst dieses Themas angenommen. Manfred Levy, freier Mitarbeiter unserer Abteilung für Bildung und Vermittlung und abgeordneter Pädagoge am Jüdischen Museum Frankfurt hat sich die Mini-Serie „Deutsches Haus“ für Euch angeschaut.

Die fünfteilige Miniserie „Deutsches Haus“ basiert auf dem gleichnamigen Roman von Annette Hess, der 2018 erschienen ist. Die Autorin, die die erfolgreichen Fernsehserien „Weißensee“ und „Ku’damm 56“ geschrieben hat, inszeniert ein Familiendrama zurzeit des ersten NS-Prozesses, um die Aussagekraft der Bilder zu verstärken und die Thematik auch jüngeren Generationen zugänglich zu machen. Gekonnt bedient sie sich des dramaturgischen Mittels der Mischung von historischen Fakten und Fiktion.

Protagonistin Eva Bruhns (Katharina Stark) ist wohlbehütet im Gasthaus ihrer Eltern (Anke Engelke, Hans-Jochen Wagner) aufgewachsen. Die Schoa ist nur noch eine vergangene Schauergeschichte – bis die junge Frau von Anwalt Hans Kübler (Max von der Groeben) gebeten wird, als Übersetzerin bei den Ausschwitz-Prozessen mitzuarbeiten. Ihre Eltern sind ebenso wie ihr Verlobter Jürgen (Thomas Penn) dagegen. Sie fürchten, dass die Wahrheit über die eigene Familie herauskommt.

Es ist der erste Strafprozess, bei dem ehemalige SS-Offiziere wegen ihrer Verbrechen im Konzentrationslager Auschwitz angeklagt werden. Eva erfährt während ihrer Übersetzungsarbeit das ganze Ausmaß der Vernichtungsmaschinerie der Nationalsozialisten. Die schockierenden Zeugenaussagen polnischer Überlebender sind für sie nur schwer zu ertragen. Sie bringen aber auch ein verdrängtes Kapitel ihrer eigenen Familiengeschichte ans Tageslicht. Eva erkennt das Ausmaß der völligen Verdrängung und Abweisung jeglicher Schuld und Verantwortung in der deutschen Gesellschaft. Die Angeklagten weisen hartnäckig jede Beteiligung an den größten Verbrechen der Menschheit von sich. Eva wird zur Stimme der Zeuginnen und Zeugen und stellt sich genauso unnachgiebig und schonungslos der Vergangenheit ihrer eigenen Familie. Sie enthüllt deren Verwicklung in die Organisation von Auschwitz. Die Serie zeigt auch die Ortsbegehung des Gerichts im Konzentrationslager. Als Richter Hans Hofmeyer (Uwe Preuss) bittet, im Gedenken an die Opfer eine Minute zu schweigen, legt auch der Film eine echte Schweigeminute ein.

Ich empfehle die Serie, da sie mit viel Respekt und Detailtreue die Geschehnisse des ersten Auschwitzprozesses erzählt. Die Handlungen sind bewegend, erschütternd und spannend. Obwohl es keine dokumentarische Serie ist, die Handlungsstränge in eine Familien- und Liebesgeschichte eingebettet sind, gelingt es doch, die Dramatik rund um den Prozess anschaulich zu schildern. Dazu trägt auch das hochkarätige Aufgebot deutscher Schauspieler*innen bei.

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Kommentare

Sehr geehrter Herr Levy, ich bin froh über die Entscheidung, dieses Kapitel der Geschichte umfassend zu beleuchten und vor allem auch mit Jugendlichen ins Gespräch zu kommen. Ist das der Grund für die Wahl des Fernsehsenders? Ansonsten würde ich diese Entscheidung nicht verstehen. Mit freundlichen Grüßen Petra Seeger in

19.11.2023 • Petra Seeger

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