Regal in der Bibliothek des Jüdischen Museums

Perspektiven aus dem jüdischen Heute

Buchempfehlungen aus dem Museumsteam
Porträt von Korbinian Böck
24. August 2022Korbinian Böck

In unserer Museumsbibliothek findet Ihr ein eigenes Fach mit Literatur-Tipps zur jüdischen Gegenwart. Jeden Monat stellen Mitarbeiter*innen aus unserem Team weitere Bücher aus diesem Themenbereich vor.

Ein jüdischer Frankfurt-Krimi

Antje Thul neben Buchcover des Bergmann-Krimis
Antje Thul aus unserem Vermittlungsteam empfiehlt Michel Bergmanns neuesten Frankfurt-Krimi.

Antje Thul aus unserem Vermittlungsteam hat sich den jüngsten Frankfurt-Krimi von Michel Bergmann angesehen. Im zweiten Fall von Michel Bergmanns Reihe "Der Rabbi und der Kommissar" begibt sich der Protagonist Henry Silberbaum auf die Spuren des plötzlich verschwundenen Schwimmstars Galina Gurewitz.

Dem kriminalistisch durchaus talentierten Rabbi steht wie im ersten Band wieder der launische, dafür aber mittlerweile nicht mehr so ganz einsame Kommissar Berking zur Seite. Beide sind mittlerweile gut befreundet und so finden sie es ziemlich naheliegend, dass Henry Silberbaum auf eigene Faust versucht, Licht in diesen Vermisstenfall zu bringen, da dem Kommissar jede Handhabe in diesem kuriosen Fall fehlt: Obwohl sie seit drei Wochen nichts von der Vermissten gehört haben, möchten weder der leicht aufbrausende und auch sonst sehr unangenehme Ehemann der Vermissten noch ihre sonst so fürsorgliche Mutter eine Vermisstenanzeige aufgeben. So beginnt Rabbi Silberbaum, sich in der russisch-jüdischen Community umzuhören und kommt dabei einer unglaublichen Geschichte auf die Spur!

Wie der Vorgänger ist auch diese Geschichte unterhaltsam und kurzweilig. Viel Raum nimmt neben dem Kriminalfall das Wiederlesen mit alten Bekannten ein. Schade, dass Bergmann bei seiner detailverliebten Zeichnung der Charaktere den weiblichen Figuren nur Nebenrollen zuweist und keine auch nur annähernd so sympathisch zeichnet, wie seinen Hauptdarsteller Rabbi Silberbaum. Für Krimifans, die gerne selbst mitknobeln und möglichst verzwickte oder gar blutige Handlungen bevorzugen, ist das Buch eher nichts; für Leser:innen, die humorvolle und selbstironische Erzählungen schätzen, schon sehr viel eher. Dem klugen und charmanten Rabbi Silberbaum kann man aber einfach nicht böse sein, daher ist auch dieser zweite Band aus Bergmanns Reihe sehr zu empfehlen.

Kürzlich hat der Autor das Buch im Jüdischen Museum Frankfurt vorgestellt. Bergmann hat seine Jugendjahre hier verbracht und lebt heute in Berlin. Neben dem Lokalkolorit seines Frankfurt-Krimis, das ortskundige Leser*innen freuen dürfte, wartet auch der zweite Band wieder mit einem umfangreichen Glossar zu den im Buch vorkommenden jiddischen Worten und Ausdrücken auf.

Das Buch erhaltet Ihr z.B. im Onlineshop der Literaturhandlung, die auch einen Shop bei uns im Jüdischen Museum hat.

Deutschland aus jüdischer Sicht

Valentino Massoglio neben Buchcover
Unser Bibliothekar Valentino Massoglio empfiehlt das neueste Buch der israelischen Historikerin Shulamit Volkov.

Eine andere Geschichte Deutschlands erzählt die renommierte israelische Historikerin Shulamit Volkov in ihrem neuesten Werk. Sie blickt darin pointiert und gut lesbar auf Deutschland aus jüdischer Sicht, so der Titel des Buchs. Eine Buchempfehlung unseres Bibliothekars Valentino Massoglio.

Mit der Aufklärung beginnend, untersucht Volkov die Auswirkungen der historisch-politischen Entwicklungen auf die Integration der Jüdinnen und Juden in die bürgerliche Gesellschaft und lässt dabei jüdische Zeitgenossen Ereignisse kommentieren. Die Geschichte Deutschlands bis in die Gegenwart erweitert sie damit um eine explizit jüdische Perspektive. Sie betrachtet beispielsweise die, dieser Tage wieder viel gerühmte, Revolution von 1848 vor dem Hintergrund judenfeindlicher Aufstände im deutschen Südwesten und den Manifestationen antijüdischer Ressentiments in den Städten. Ein solcher Perspektivwechsel stellt eine unheimliche Bereicherung für die historische Beurteilung der allgemeinen deutschen Geschichte dar.

Volkov bezieht sich bereits zu Beginn auf die von Adorno und Horkheimer verfasste „Dialektik der Aufklärung“ und zeigt in ihrem Buch mit Hilfe der jüdischen Perspektive, dass den fortschrittlichen Entwicklungen in der deutschen Geschichte sehr häufig ein Rückschritt folgte. Sie schließt ihren historischen Abriss mit einem Epilog mit dem vielsagenden Titel „Berlin ist nicht Weimar“ und lässt darin, durch die Einbeziehung der allerjüngsten deutschen Vergangenheit, einen „Raum für Optimismus“.

Bestellen könnt Ihr das Buch u.a. bei unseren Freund*innen von der Literaturhandlung.

Neuer Roman von Sasha Marianna Salzmann

Foto von Johanna Weiß neben Buchcover zu "Im Menschen muss alles herrlich sein"

Johanna Weiß aus unserem Kuratorenteam empfiehlt den neuen Roman von Sasha Marianna Salzmann:

In ihrem 2022 erschienen Roman "Im Menschen muss alles herrlich sein" erzählt Salzmann die Lebensgeschichten von vier Frauen im Auge des Wandels. Ausgangspunkt ist Lena, die in den 1970er-Jahren in der Sowjetunion aufwächst und trotz des korrupten Bildungssystems ein Medizinstudium anstrebt, auch um die wahre Todesursache ihrer Mutter herauszufinden. Nach der Übersiedlung als sogenannte jüdische Kontingentflüchtlinge wächst ihre Tochter Edita in den 1990ern in Deutschland auf. Im jungen Erwachsenenalter sucht und findet Edita ihre eigene Identität als queere, jüdische Frau. Das Mutter-Tochter Gespann teilt seine Erfahrungen und Kämpfe mit einem weiteren Mutter-Tochter-Paar, Tatjana und Nina, die zur selben Zeit in Deutschland den Neustart wagen. Der erste Teil des Buchs spielt in Zeitsprüngen von je einem Jahrzehnt in der Sowjetunion, der zweite Teil im heutigen Berlin.
Salzmann zeichnet präzise und bildgewaltig die bewegten Geschichten dieser Frauen nach, ihr Ringen, zueinander zu finden. Zugleich geht es immer auch um die Auseinandersetzung mit der Frage, wie Generationen sich wechselseitig beeinflussen, wie religiöse und private Identitäten neu konstruiert werden und welchen Einfluss politische Systeme auf persönliche Schicksale haben.

Die hier vorgestellten Bücher erhaltet Ihr auch im Onlineshop der Literaturhandlung, die eine Filiale im Jüdischen Museum betreibt.

Blick in die Literaturhandlung im Jüdischen Museum

Judentum und Social Media

Buchcover von "Tzipporim" neben einem Foto von Sara Soussan

Sara Soussan, unsere Kuratorin für Jüdische Kulturen der Gegenwart, empfiehlt "Tzipporim – Judentum und Social Media" von Chajm Guski:

"Tzipporim" ist kein Buch über die Darstellung von jüdischen Menschen und Inhalten in den Sozialen Medien. Chajm Guski – Autor, Blogger , Podcaster und vieles mehr – dreht den Spieß um und verknüpft Fragen des digitalen Umgangs mit jüdisch-ethischen Konzepten und Prinzipien aus den jüdischen Quellen. Was lässt sich in der Tora zu Facebook finden? Was lesen wir im Talmud über Twitter? Es zeigt sich, dass die Regeln des zwischenmenschlichen Umgangs aus diesen Quellen als Kodex für eine umsichtige Kommunikation in den Sozialen Medien dienen können. Die Konzepte sind verblüffend aktuell, manches scheint gar wie für einen jüdischen Internet-Knigge geschaffen. Das Büchlein ist so gehalten, dass jede und jeder dem Text folgen kann, auch ohne tiefere Vorkenntnisse. Eine Übersicht über die Quelltexte (Wer ist wer?), ein Literaturverzeichnis und ein Index der jüdischen Quellen erlauben weitergehende Recherchen. Unbedingter Lese-Tipp!

Bilderkarten zur Gegenwart und Geschichte jüdischen Lebens

Foto von Rifka Ajnwojner neben einer Abbildung der Bilderbox zur Gegenwart und Geschichte jüdischen Lebens in Deutschland

Rifka Ajnwojner aus unserem Vermittlungsteam stellt hilfreiches Unterrrichtsmaterial zur Gegenwart und Geschichte jüdischen Lebens in Deutschland vor:

Gemeinsam mit der Deutschen UNESCO haben wir anlässlich des Festjahres "1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland" die interaktive Bilderbox "Bilderkarten zur Gegenwart und Geschichte jüdischen Lebens in Deutschland" entwickelt, gefördert vom Auswärtigen Amt. Das Unterrichtsmaterial lädt dazu ein, die Vielfalt jüdischen Lebens in Geschichte und Gegenwart zu erschließen. Die Bilderbox bietet sich sowohl für verschiedene Unterrichtsfächer wie Kunst Religion, Ethik, Deutsch, Geschichte, Musik als auch für verschiedene Jahrgangsstufen an. Sie ist bereits deutschlandweit in über 2.000 Schulen, Museen und Lernorten im Einsatz.

Die Box könnt Ihr kostenfrei bestellen. Weitere Infos findet Ihr in diesem Beitrag.

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