Chanukka-Yoda

"Das Volk allein, dem es geschah, das feiert lieber Chanukka."

Kitschiges, Skurriles und Cooles zum jüdischen Lichterfest
Porträt Sara Soussan
22. Dezember 2019Sara Soussan

Chanukka ist ein gemütliches Fest. Warmer Kerzenschein, leckere Speisen, Singen und gemeinsame verbrachte Zeit kennzeichnen diese acht Tage. Aber ist das nicht bei allen jüdischen Feiertagen so? Was zeichnet Chanukka heute besonders aus? Ist es der Weihnachtskitsch? Wir haben uns einmal einer anderen Form der musealen Sammlungsarbeit hingegeben und im Netz nach interessanten Chanukka-Dingen Ausschau gehalten.

Chanukka ist schnell erklärt

Zu Chanukka wird das Öl-Wunder gefeiert, das im Jahr 164 v.d.Z. in der Provinz Judäa – so berichtet der Talmud – geschah. Damals hatten die hellenistischen Seleukiden die Provinz besetzt, geplündert und mit ihren Götterfiguren den Tempel von Jerusalem entweiht. Viele Juden, gerade aus der Priesterkaste, legten ihr Judentum ab und folgten dem Hellenismus. Jüdische Freiheitskämpfer, die Makkabäer, fanden sich zusammen und eroberten den Tempel zurück. Nachdem sie ihn gereinigt hatten, wollten sie die Menora (den Tempelleuchter) wieder entzünden, aber das vorhandene Olivenöl hätte nur für einen Tag gereicht. Es dauerte sieben Tage, bis man neues Öl herstellen konnte, doch das kleine Ölkrüglein reichte wundersamerweise für acht Tage.

In Erinnerung an dieses Wunder wird jeden Abend ein weiteres Licht auf der Chanukkia, dem achtarmigen Leuchter, angezündet. Weil das Öl in der Geschichte solch eine wichtige Rolle spielt, isst man vor allem in Öl Gebackenes oder Gebratenes. Traditionell gibt es Latkes (Kartoffelpuffer) mit Crème fraîche, Lachs oder Apfelmus. Aber auch Sufganiot (Krapfen oder Berliner) gehören zu Chanukka. Man wünscht sich gegenseitig "Chanukka sameach" – ein fröhliches Chanukka.

So weit zu den Grundlagen. Ab jetzt betreten wir die Welt der Unterhaltung…

Weihnukka? Chanunacht? Chrismukka?

Von wegen Jewish Christmas: Die Schwierigkeiten beginnen oft schon bei der korrekten Schreibweise.

Weihnachten und Advent sind hierzulande ab Mitte Oktober überall spürbar. Aber wie sieht es mit Chanukka aus? In amerikanischen Fernsehserien, seien es die Simpsons oder die Marvellous Mrs Maisel, gibt es schon lange jüdischen Chanukka-Input. Dieser Trend, Chanukka zu kennen, kommt immer mehr auch in Deutschland an. So widmete ShahakShapira kürzlich eine ganze Sendung der Comedy-Show ShapiraShapira im ZDF dem Thema Chanukka (ob das wirklich lustig war, ist Geschmackssache). Und beim RTL-Wetterbericht stellte man sich bereits vergangenes Jahr auf Chanukka ein, sodass Maxi Biewer Mitte Dezember wie selbstverständlich "Chanukka sameach" wünschte.

Chanukka wird also immer mehr wahrgenommen. Bleibt es dabei? Aber nein: Das Fest wird mit Weihnachten verwoben, von jüdischer wie nichtjüdischer Seite. Und tatsächlich haben die beiden Feste ja Gemeinsamkeiten: Sie werden in einer dunklen Jahreszeit mit Beleuchtung gefeiert. Das war’s dann aber auch schon. Trotzdem drückt sich über die Wortkreation "Weihnukka" eine Verschmelzung der beiden Feste aus, die inhaltlich eigentlich keine Basis hat.

"Wie sich der Chanukkaleuchter des Ziegenfellhändlers Cohn in Pinne zum Christbaum des Kommerzienrats Conrad in der Tiergartenstraße (Berlin W.) entwickelte." Von unbekannt - Jüdische Zeitschrift "Schlemiel" Nr. 1, 1904

Das Jüdische Museum Berlin präsentierte 2005 eine Ausstellung, die das Phänomen Weihnukka näher unter die Lupe nahm. Die Ursprünge beider Feste wurden sichtbar gemacht, wobei der Spaßfaktor in Form von Kunst, Kitsch und Kulinarischem nicht zu kurz kam. Eine einfallsreiche Herangehensweise mit einem ironischen Augenzwinkern, wenn auch damals kontrovers diskutiert.

Verschmelzungen

Ein "jüdischer" Weihnachtsbaum. Foto: Jonah Green
Ein "jüdischer" Weihnachtsbaum. Foto: Jonah Green

Einige jüdisch-säkulare Menschen feiern Weihnachten mit Baum und allem Drum und Dran, verpassen dem aber einen jüdischen Touch. Warum machen sie das? Woher kommt diese Verschmelzung? Dafür gibt es unterschiedliche Erklärungen. Diente Weihnukka jüdischerseits einer Abwehr der extremen Kulturübernahme als Selbstbehauptung durch die Adaption von Weihnachtsbräuchen? War es – gerade im 19. und beginnenden 20. Jahrhundert – eine Selbstaufwertung nach Assimilierung und Traditionsverlust? Gab es ein wachsendes Bedürfnis nach einer kulturellen Identität, das über religiöse Gebote und Rituale weit hinausging? Vielleicht ein bisschen von allem.

Im Jahr 1914 griff der anarchistische deutsch-jüdische Dichter Erich Mühsamdie zeitliche Nähe von Weihnachten und Chanukka in seinem Spottgedicht "Heilige Nacht" auf und grenzte sich mit Verweis auf die jüdische Identität Jesu ("ein Kindlein aus dem Stamme Sem") in ironischer Weise von einer Verschmelzung beider Feste ab:

Heilige Nacht:

Geboren ward zu Bethlehem
ein Kindlein aus dem Stamme Sem.
Und ist es auch schon lange her,
seit’s in der Krippe lag,
so freun sich doch die Menschen sehr
bis auf den heutigen Tag.
Minister und Agrarier,
Bourgeois und Proletarier
es feiert jeder Arier
zu gleicher Zeit und überall
die Christgeburt im Rindviehstall.
(Das Volk allein, dem es geschah,
das feiert lieber Chanukah.)
Erich Mühsam (1878-1934, ermordet im KZ Oranienburg)
aus: Erich Mühsam, Wüste, Krater, Wolken, Berlin 1914
.

Ein Weihnachtsmann neben einer jüdischen Puppe.
Was soll uns das sagen? Weihnachtsrabbiner? Chanukkamann? Jüdischer Advent?

Von christlicher Seite – religiös wie säkular – gibt es ebenfalls Vereinnahmungsbestrebungen des jüdischen Chanukka, wie immer am liebsten in Form seiner jüdischen Menschen. So schwirren interessante Einladungen zu Weihnukka-Feiern herum, wie beispielsweise diese Email verdeutlicht:

„Sehr geehrte Damen und Herren,
Weihnachten und Chanukka, die winterlichen Lichterfeste der Christen und der Juden, stehen vor der Tür. Zwar gedenken wir verschiedener Ereignisse in der Geschichte unserer Religionen, doch sind wir uns ganz nah in der fröhlichen und glückverheißenden Atmosphäre dieser Festtage, die zu Juden und Christen gleichermaßen von Freude und Befreiung sprechen.
Weihnachtsbaum und Chanukkaleuchter, das heißt für uns alle Kerzenglanz, Geschenke und Kinderfreude. Es heißt aber auch duftendes Gebäck, liebevoll bereitete Speisen und gemeinsamer Gesang, bei denen wir mehr als sonst in unseren Tagen tief an unsere jeweiligen familiären Traditionen anknüpfen.
Bevor am 22. und 24. Dezember Chanukka und das Weihnachtsfest beginnen, möchte ich ganz herzlich zu einer abendlichen Feier einladen, die im Zeichen all dessen stehen soll, was uns verbindet, und bei der es an Musik und leckeren Speisen nicht fehlen soll. Wie immer, seit über einem Vierteljahrhundert, am dritten Advent.“

Steckt in diesem Weihnukka gar mehr Weih als Nukka? Wer die Unterschiede zwischen den beiden Festen genauer nachvollziehen möchte, kann hier eine (nicht ganz ernstgemeinte) Erläuterung nachlesen.

Der Kitsch nahm den Umweg von Weihnachten über Weihnukka zu Chanukka

Mit Kitsch assoziieren wir Vitrine, Plüsch und grelle Farben. Und natürlich amerikanisch geprägtes Plastik-Weihnachten. Interessanterweise gibt es all dies nun verstärkt auch im Kontext von Chanukka. Wer eine Affinität dazu hat, ist bei der Bloggerin Juna Grossman gut aufgehoben, die begeistert #Hanukkakitsch auf Twitter sammelt.

Und ebenso interessant könnte einem erscheinen, dass es diesen Kitsch fast nur zu Chanukka gibt. Pessach, Purim, Schawuot und Sukkot sind eher außerhalb des Kitsch-Visiers, sind sie doch weniger säkularisiert worden als "Chrismukka". Hier nun einige ausgewählte Fundstücke.

Der Nippes zeigt eine putzige Diaspora, wie sie nie war. Und weil meist jeder Kitsch der Ausdruck einer Sehnsucht nach Normalität ist und meist kein jüdischer Mensch, egal, wo er/sie lebt, Normalität empfindet, strahlt die eingebildete Kitschdiaspora auch so etwas wie Trotz aus: die Behauptung eines ganz gewöhnlichen jüdischen Lebens. Das klingt kompliziert, aber jüdische Menschen leben in komplizierten Verhältnissen.

Und so formuliert das Jüdische Museum Hohenems anlässlich einer Ausstellung zu jüdischem Kitsch 2005: "Kitsch ist ein Versprechen auf Glück, das zwar nicht eingelöst wird, aber die Hoffnung darauf repräsentiert. Der Kitsch der Diaspora ist so ein Versprechen: eine Beziehung zu einem Ort, an dem man nicht ist, aber dessen Gegenwart überall zu spüren ist."

Bild aus der Ausstellung "Too Jewish? Challenging Traditional Identities"
"Chanel Hanukkah" 1991, Cary Leibowitz und Rhonda Lieberman

Chanukka-Kitsch wurde schon frühzeitig in der Kunst aufgegriffen, so in der vielbeachteten Ausstellung "Too Jewish? Challenging Traditional Identities" 1996 im Jewish Museum New York. Die Künstlerinnen Cary Leibowitz und Rhonda Liebermann spielten in ihrer Installation „Chanel Hanukkah“ mit der JAP (Jewish American Princess), traditionell-jüdischem Chanukka und eben dem Chanukka-Kitsch. Très chic!

Die Steigerung von kitschig ist skurril

Schon der Kitsch hat ja etwas Abgedrehtes, aber manche Chanukka-Skurrilitäten toppen das zuweilen. Das Lachen wird – zumindest bei mir – lauter, das Kopfschütteln heftiger. Je bizarrer die Objekte, desto weniger bedürfen sie einer Erläuterung. Auf dieser Webseite finden etwa Menschen mit einer Affinität zu Hasen eine passende Chanukka-Sammlung.

Ob Kitsch oder Skurriles: Heraus kommt ein liebevolles, überbordendes Spiel mit der Berührung von Tradition und Alltag, kulturellen Orientierungen und praktischen Erfordernissen, Mythen und deren Kritik, Identität und ihrer Infragestellung.

Der Hanuta-Chanukkia aus der Ausstellung "Geschenkte Geschichten" des Jüdischen Museums Frankfurt 2009. Fotograf: Jörg Baumann

Wie sich das für ein modernes Museum gehört, haben auch wir eine passende Objekt-Geschichte parat. Das Objekt passt nicht so recht in die Kategorien Kitsch oder Skurriles, daher mag es den Übergang zu den wirklich coolen Chanukka-Dingen markieren. Roswitha Feil erklärte im Rahmen des partizipativen Ausstellungsprojektes "Geschenkte Geschichten" 2009 ihr "Jüdisches Etwas":

"Meine Tochter Franca war noch im Kindergartenalter, als wir für das Jüdische Museum Plakate für die Ausstellung Jehi Or entwarfen – eine Ausstellung über rituelles Licht, im Jahre 1991. Zwischen den Bürotischen spielend schnappte Franca den Begriff 'Chanukka-Leuchter' auf, konnte sich aber offensichtlich unter Chanukka nichts vorstellen. In ihrer Fantasie wurde aus dem Chanukka-Leuchter ein 'Hanuta-Leuchter'." Eine wirklich schöne Geschichte!

Zum Schluss noch wirklich coole Chanukka-Dinge

Schon einmal von der Latke-Hamantaschen-Debatte gehört? Diese Debatte ist eine bewusst humorvolle akademische Veranstaltung über die relativen Vorzüge und Bedeutungen dieser beiden Elemente der jüdischen Küche. Eine Latke ist die bekannteste Chanukka-Speise, die Hamantasche ist das Äquivalent zu Purim. Die Debatte entstand 1946 an der Universität von Chicago und findet seitdem jährlich statt. Nachfolgende Debatten wurden an mehreren anderen Universitäten veranstaltet. An der Debatte im Rahmen eines Symposiums nahmen neben anderen die frühere Präsidentin der Universität Chicago, Hanna Holborn Gray, die Philosophin Martha Nussbaum, die frühere Vorsitzende des Rates der Wirtschaftsberater, Austan Goolsbee und die Nobelpreisträger Milton Friedman, George Stigler und Leon M. Lederman teil. Die Debatte wurde bisher nicht entschieden, ein Kompendium wurde 2005 veröffentlicht. Ein Beispiel für diese Debatten-Kultur ist hier nachzulesen. Genial!

Schöne Chanukka-Musik kann einem die Weihnachts-Ohrwürmer aus den Innenstädten austreiben. Bekannte Rock- und Pop-Größen haben sich auf diesem Chanukka-Album vereint. Mein klarer Favorit: der Song von Adam Green.

Auch sehr schön ist HAIMs Cover-Version von Leonhard Cohens Song "If It Be Your Will”.

Wer die Kombination "traditionell" und "schön" gerne mag, dem gefällt vielleicht Yonina mit dem Chanukkalied "MaosZur" oder ihr "Chanukka Mash-Up". Die beiden sind wirklich süß.

Das Kulinarische ist ja nun auch wirklich wichtig, "Jewlish" Jamie Geller hilft mit Rezept-Videosfür "Berliner-in-der-Tüte" und "Latkes-best-ever"

Filmstill aus dem Video "A Star Wars Chanukah"
Filmstill aus dem Video "A Star Wars Chanukah"

Ganz zum Schluss nun etwas für uns echte Jewdis und mein absoluter Favorit: Chanukka StarWars mit einem Mix der bekanntesten Chanukkalieder.

In diesemSinne: May the light be with you, merry everything and a happy always!

Chanukka Sameach!

Sara Soussan

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