Für die Ausstellung "Zurück ins Licht" hat sich unsere stellv. Direktorin Eva Atlan intensiv mit der Frankfurter Künstlerin Erna Pinner (1890-1987) beschäftigt. Dabei stieß sie auf einen ganz besonderen Schatz: die Reisebücher und Fotoalben der Künstlerin.
(zur englischen Version dieses Beitrags)
In der Ausstellung "Zurück ins Licht. Vier Künstlerinnen – Ihre Werke. Ihre Wege" zeigen wir vier Fotoalben in einer Vitrine. Sie stammen von Erna Pinner und werden zum ersten Mal öffentlich ausgestellt. Es sind Leihgaben der Nachfahren der Künstlerin. 2014 hatte ihre Familie Kontakt mit uns aufgenommen, um uns einen Teil des künstlerischen Nachlasses von Erna Pinner als Schenkung zu überlassen. Bei einem persönlichen Besuch in England konnte ich es damals kaum fassen, dass uns insgesamt rund 400 Zeichnungen und Grafiken übereignet werden sollten. Weitaus mehr überraschten mich dann die Fotoalben: diese sollte das Museum als Leihgaben erhalten. Ich war vollkommen perplex, da diese Fotoalben bisher unbekannt waren.
Ein überraschender Fund
Dass Erna Pinner auch als Fotografin erfolgreich war und ihre Fotografien auch in Büchern ihres Partners Kasimir Edschmid erschienen (darunter "Südamerika wird fotografiert", 1932) ist bekannt. Auch dass sie weder die Negative, noch Abzüge in die Emigration hatte mitnehmen können erfahren wir im Briefwechsel zwischen ihr und Edschmid. Doch die Fotos in den Fotoalben aus ihrem Nachlass sind private Schnappschüsse, typische Fotos von Touristen, wie sie auch heute noch üblich sind. Wenn die aktuelle Ausstellung uns die Künstlerin Erna Pinner näher bringt, so bringen diese Fotoalben uns den Menschen Erna Pinner ein ganzes Stück näher.
Erna Pinners Fotoalbum Ägypten, Mai 1928 / Lido im Juli 1928
Pinner und Edschmid in Ägypten, Mai, 1928. Bei Pinners Fotoalben handelt es sich um einzigartige Zeitdokumente ihrer Reisen in den Jahren zwischen 1927 und 1931 nach Griechenland, Italien, Ägypten, Südamerika (Bolivien und Peru) und den Nahen Osten (Syrien und dem britischen Mandatsgebiet).
Dokument und Schnappschuss
Wie ist man in den 1920er Jahren gereist? Welche Fortbewegungsmittel standen Erna Pinner und ihrem Reisegefährten zur Verfügung? Hier ließ sich Pinner in einem Automobil fotografieren, neben ihr sitzt Kasimir Edschmid, sie sitzt am Steuer.
Aber auch in landestypischen Fortbewegungsmitteln bewegte sich Pinner auf Reisen fort, hier auf einem Kamel in Gizeh. Sie posiert für das Foto und lässt sich im Profil fotografieren, im Hintergrund die weltberühmte Sphinx.
Hier sehen wir Erna Pinner in Bolivien in einem Liegestuhl auf einem Dampfer auf dem Titicacasee, dem höchstgelegenen kommerziell schiffbaren See der Erde.
Aus einem Eisenbahnwaggon auf den Weg von La Paz, Bolivien, schaut Erna Pinner hier hinaus in die Kamera. Es gibt zahlreiche solcher Momentaufnahmen, die uns als Betrachter:innen daran erinnern, wie wir selbst auf touristischen Reisen jeden wichtigen Moment in einem Foto festhalten möchten.
Erna Pinner in einer hügeligen kargen Landschaft Boliviens. Sie trägt Reithosen mit Chaps, einen karierten Pullover und eine warme Jacke. Unter dem Foto mit ihrer Handschrift der Vermerk: 4800 Meter, Bolivien.. Dies zeugt nicht nur davon, dass sie diesen Moment auf jeden Fall festhalten wollte, sondern auch von ihrem Stolz die sicherlich beschwerliche Reise auf diese Höhe geschafft zu haben: Pinner war zu diesem Zeitpunkt schon an Polio erkrankt und war stets mit einem Gehstock unterwegs, wenn sie ihn auch oft auf den Fotos weglässt.
Touristische Ziele
Auf ihrer Reise durch das britische Mandatsgebiet fotografiert Erna Pinner die Elisas Quelle (auch Prophetenbrunnen genannt; Elisa/Elisha war der Schüler von dem Propheten Elias), eine Süßwasserquelle in der Nähe des archäologischen Hügels von Tel Jericho, wo Reste von Siedlungen aus dem Jahr 8000 v. Chr. gefunden wurden.
In Ägypten fasziniert sie das Tal der Könige...
...aber auch die zeitgenössischen Felukka Boote auf dem Nil.
Geselligkeit auf Reisen
Wie hat man sich auf Reisen neben dem Besichtigen von archäologischen Ausgrabungen und anderen Kulturschätzen noch beschäftigt? Unter anderem mit sportlicher Betätigung, wie hier auf einer Schiffsüberfahrt in Südamerika.
In Pinners Alben befinden sich viele Fotos von Menschen, denen sie unterwegs begegnet ist, darunter andere Reisende oder Diplomaten. Wie zum Beispiel den deutschen Generalkonsul Nord und seine Familie in Jerusalem.
Venedig und vor allem der Lido werden feste Bezugspunkte von Pinners Fernreisen: hier starten die Überfahrten auf die Mittelmeerziele und den Nahen Osten. Hier kehrt sie von den Reisen zurück und erholt sich von den Strapazen. Auch hier trifft sie Bekannte. Wie zum Beispiel die hier abgebildete junge Lily Schnitzer-Capellini (Tochter von Arthur Schnitzler), die im Strandanzug scheinbar unbeschwert in die Kamera lächelt. Das Foto ist im Juli 1928 aufgenommen worden, am 26. Juli des gleichen Jahres nahm sie sich das Leben aus bisher unerklärlichen Gründen.
Die Begegnungen Einheimischen
In den Fotoalben sind natürlich auch viele Fotos von indigenen Menschen, denen Erna Pinner begegnet. Es sind Fotos in denen sie versucht, sich deren Persönlichkeit zu nähern und in Porträts wiederzugeben. So zum Beispiel diese Frau auf der Insel Curacao, die aus ihrem Haus im Profil nachdenklich in die Ferne zu blicken scheint.
Dass Pinner sich mit den Menschen beschäftigte und versuchte ins Gespräch zu kommen, zeigt sehr schön ein Foto aus dem britischen Mandatsgebiet. Wenn auch Erna Pinner oft in diesen Fotoalben strahlend in die Kamera schaut und meist für das Foto posiert, so ist dies bei diesem Foto nicht der Fall und gibt dabei viel mehr von ihr preis: Pinner ist in Rückansicht zu sehen mit einer Gruppe von vier Frauen und einem Mann (Beduinen?). Das offene Lächeln auf den Gesichtern dieser Personen sagen sehr viel über die reisende Frau aus, mit der sie sich gerade unterhalten.
Enden möchte ich diesen kleinen Einblick in die zahlreichen Fotografien mit diesem Foto von Pinner am Fensterplatz eines Zuges auf dem Weg nach Cuzco, Peru, wie sie mit ihrer Kamera damit beschäftigt ist, Fotos aus dem fahrenden Zug zu machen.
Die hier ausschnittsweise gezeigten Fotoalben liegen als Faksimile in der Ausstellung "Zurück ins Licht" aus und können von den Besuchenden dort eingesehen werden.
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