„Ausgeblendet / Eingeblendet“ beleuchtet einen Aspekt der bundesdeutschen Filmgeschichte, der weitgehend unbekannt ist. Die Ausstellung handelt von jüdischen Filmschaffenden, die mal am Rande, mal im Zentrum der Filmproduktion in der Bundesrepublik stehen. Sie geht auf die brüchigen Lebenswege von Stars wie Lilli Palmer und Peter Lorre ein und zeichnet die Auseinandersetzungen mit der bundesdeutschen Gesellschaft von Filmproduzenten wie Artur Brauner und Filmregisseur:innen wie Imo Moskowicz, Peter Lilienthal und Jeanine Meerapfel nach.
Die Ausstellung basiert auf jahrelanger Forschung der Filmwissenschaftler:innen Lea Wohl von Haselberg und Johannes Praetorius-Rhein, die auch ihre Arbeit aus dem Forschungsnetzwerk “Deutsch-Jüdische Filmgeschichte” einfließen lassen.
Gegen/Stimmen
Ausschnitt aus der Zwei-Kanal-Videoinstallation „Gegen/Stimmen“ (2023) der Regisseurin Ruth Olshan, in der gegenwärtige Filmschaffende das Wort ergreifen.
Ein-/Ausgeblendet
Ein- und Ausblenden steht als Metapher für die Sichtbarkeit oder Unsichtbarkeit jüdischer Perspektiven in der deutschen Filmgeschichte. Die Frage der Sichtbarkeit aber auch der (Fremd-)Zuschreibung der jüdischen Identität ist Thema des ersten Raums, der sowohl Beginn als auch Ende der Ausstellung ist. In einer filmischen Auftragsarbeit fängt die Filmproduzentin, Regisseurin und Drehbuchautorin Ruth Olshan die vielfältigen Aussagen zeitgenössischer Filmschaffender zur Zuschreibung ‚jüdisch‘ ein.
Aufbrüche
Mitte und Ende der 1940er Jahre traten jüdische Filmproduzenten wie Artur Brauner, Gyula Trebitsch und Walter Koppel in die deutsche Öffentlichkeit: Sie kamen als Überlebende nach Deutschland und machten in Spielfilmen wie Arche Nora (1948) oder Morituri (1948) die Erinnerung an die Schoa zum Gegenstand ihrer filmischen Arbeit. Mit ihren steilen Karrieren sind sie gleichzeitig Teil der bundesdeutschen Erzählungen von Wiederaufbau und Wirtschaftswunder.
Scheinwerfer und Scheuklappen
Die Rede von “internationaler Erfahrung” jüdischer Filmschaffender diente in der frühen Bundesrepublik als Chiffre für deren Flucht- und Exilerfahrungen, um deren Hintergründe zu verschweigen. Zugleich war in dieser euphemistischen Formulierung eine reale Chance für jüdische Filmschaffende enthalten: Angebliche und reale Kontakte ins Ausland dienten der Karriere in West-Deutschland, wo die Filmindustrie nach internationaler Anerkennung hungerte. Lilli Palmer hatte im Exil tatsächlich Karriere gemacht und wurde zu einem der beliebtesten Stars der 1950er Jahre. Peter Lorre dagegen konnte weder in Hollywood noch in der frühen Bundesrepublik an seine Erfolge in der Weimarer Republik anknüpfen. Die Filme Feuerwerk (1954) und Der Verlorene (1951) zeigen die beiden Schauspieler jeweils in ihren ersten Rollen nach ihrer Rückkehr.
Weder Bühne, noch Leinwand – Willkommen beim Fernsehen!
Das Fernsehen entstand als neues Massenmedium mit einer Affinität zum Theater, aber in Konkurrenz zum Kino: frühe Fernsehspiele sind oft statisch und erinnern an abgefilmte Theaterinszenierungen. Für Theaterregisseure wie Imo Moszkowicz war der Weg von der Bühne ins Fernsehstudio deswegen nicht sehr weit. Ohne etablierte Ausbildungswege konnten hier aber auch Quereinsteiger wie Karl Fruchtmann oder Nachwuchsfilmer wie Peter Lilienthal Fuß fassen. Der Schrecken der Schoa ist in einigen dieser frühen Fernsehproduktionen deutlich spürbar, die großen Freiheiten des jungen Mediums wurden von den jüdischen Fernsehregisseuren allerdings kaum für explizite oder gar konfrontative Erinnerungsprojekte genutzt. Die Filme Striptease (1963) sowie Mein Freund Harvey (1959) sind beide Verfilmungen von Theaterstücken.
Verloren in der Familienaufstellung des deutschen Films
Der Bruch zwischen dem Nachkriegskino und dem Neuen Deutschen Film ist im Oberhausener Manifest klar als Generationskonflikt formuliert worden, als Ende von “Papas Kino”. Die Positionen jüdischer Akteure in diesem Konflikt sind widersprüchlich. Artur Brauner erschien als Vertreter von “Papas Kino”, fühlte sich in dieser Rolle aber erklärtermaßen unwohl, während Remigranten wie Erwin Leiser als Lehrer akzeptiert wurden. Filmemacher wie Peter Lilienthal oder Jeanine Meerapfel teilten den Generationenkonflikt nicht auf dieselbe Weise und blieben gewissermaßen randständig, fanden im Autorenfilm aber filmische Ausdrucksformen für ihre eigenen Positionen. Mit dem Spielfilm David (1979) fragte Lilienthal dezidiert nicht nach Verantwortung und Möglichkeit des Nationalsozialismus, sondern nach der Perspektive der Opfer. In Die Verliebten (1987) lässt Jeanine Meerapfel einen Deutschen mit Nazi-Vorfahren und eine Tochter sogenannter Gastarbeiter auf einer Reise nach den Spuren ihrer Familien aufeinandertreffen.
Es war mir ein Vergnügen
In einem eigenen Ausstellungskapitel wird der Blick auf die Populärkultur ausgeweitet: Fernsehshows, Ratesendungen, Schlager und Musiksendungen zeigen die Popkultur mit ihrer Mehrstimmigkeit und ihrer spielerischen Unbeschwertheit. Die neue Sichtbarkeit von Jüdinnen und Juden in Film und Fernsehen der späten 1960er und beginnenden 1970er Jahre ist oft verbunden mit einem Versprechen von Leichtigkeit: israelische Schlagersängerinnen wie Esther Ofarim oder Daliah Lavi, aber auch Towje Kleiner als “Münchner Woody Allen” in der Serie Der ganz normale Wahnsinn spielen auf unterschiedliche Weise mit popkulturellen Referenzen. Mit der Fokussierung auf die Anziehungskraft des Entertainments, die diese Medienfiguren mit ihrer Leichtigkeit, erotischen Aufladung, Humor und Coolness für das deutsche Publikum hatten, werden ihre eigenen Perspektiven übersehen.
Von Masken und Spiegeln – Verhältnisse zum Erinnerungsboom
Die Ausstrahlung der Serie Holocaust 1979 hat eine Wende in der audiovisuellen Erinnerungskultur eingeleitet. Damit beginnt nicht nur eine Phase der späten Anerkennung des Massenmords, sondern auch eine Auseinandersetzung mit der Geschichte, in der Film und Fotografie zu Leitmedien werden. Jüdische Filmschaffende erhalten in diesem Zusammenhang neue Rollenangebote und werden mit ihren eigenen Biografien und Familiengeschichten öffentlich wahrgenommen. Sie verhalten sich unterschiedlich zu dieser neuen Sichtbarkeit und Funktion in der bundesdeutschen Erinnerungskultur. In Der Passagier (1989) macht Thomas Brasch einen ironisch-selbstreflexiven Kommentar zu der jüdischen Regisseuren zugewiesenen Aufgabe der filmischen Vergangenheitsbewältigung. Karl Fruchtmann dreht 1983 mit Heinrich Heine - Die zweite Vertreibung aus dem Paradies eine Filmbiografie, die sich deutlich von der auf eine deutsch-jüdische Versöhnung abzielenden Rezeption des Dichters abgrenzt.
Playlists zur Ausstellung
Lust auf eine Musikalische Zeitreise? Alle, die in der Ausstellung nicht genau hingehört haben oder mit zahlreichen Ohrwürmern zurückgeblieben sind, bekommen jetzt eine zweite Chance: Wir haben zwei Playlists mit Titeln aus der Schau zusammengestellt – hier finden sich neben Liedern aus der Ausstellung auch zahlreiche Film-Soundtracks.
Ausstellungs-Playlist
In unserer ersten Playlist erwarten Sie einschlägige Melodien von Lilli Palmer (O mein Papa), Esther Ofarim (Das ist meine Liebe), Daliah Lavi (Ich bin dein Freund) oder Zupfgeigenhansel (Sog nischt kejnmol).
Filmmusik-Playlist
In einer weiteren Soundtrack-Playlist geben wir, teilweise mit Gesang, teils instrumental und manchmal auch mit Hintergrundgeräuschen aus den jeweiligen Filmen der Ausstellung, die klassische Kino- und Fernsehen-Atmosphäre wieder. Wiedererkennenungswert bieten vor allem die Titelmelodien populärer Fernsehsendungen wie „Dalli Dalli“ oder zweier Serien mit Schauspieler Towje Kleiner. Wir wünschen viel Spaß beim Hören und Entdecken!
Die Ausstellung wird in Zusammenarbeit mit dem DFF – Deutsches Filminstitut & Filmmuseum und dem Institut für Theater-, Film- und Medienwissenschaft an der Goethe Universität Frankfurt präsentiert und basiert auf einer Kooperation mit der Filmuniversität Babelsberg Konrad Wolf.
Für die freundliche Unterstützung von Ausstellung, Katalog und Begleitprogramm danken wir
Hessische Kulturstiftung
Georg und Franziska Speyer’sche Hochschulstiftung
Aventis Foundation
Hannelore Krempa Stiftung
Gesellschaft der Freunde und Förderer des Jüdischen Museums e.V.
Ausstellungsort:
Jüdisches Museum Frankfurt
Heute geöffnet: 10:00 – 18:00
- Museumsticket (Dauerausstellung Jüdisches Museum+Museum Judengasse) regulär/ermäßigt12€ / 6€
- Kombiticket (Wechselausstellung + Museumsticket) regulär/ermäßigt14€ / 7€
- Wechselausstellung regulär/ermäßigt10€ / 5 €
- Familienkarte20€
- Frankfurt Pass/Kulturpass1€
- Am letzten Samstag des MonatsFrei
(ausgenommen Teilnehmer gebuchter Führungen)
- Eintritt nur Gebäude (Life Deli/Museumshop/Bibliothek)Frei
Freien Eintritt genießen:
Mitglieder des Fördervereins
Geburtstagskinder jeden Alters
Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre
Studenten der Goethe-Uni / FH / HfMDK
Auszubildende aus Frankfurt
Geflüchtete
Inhaber von Museumsufer-Card oder Museumsufer-Ticket
Inhaber der hessischen Ehrenamts-Card
Mitglieder von ICOM oder Museumsbund
Ermäßigung genießen:
Studenten / Auszubildende (ab 18 Jahren)
Menschen mit Behinderung ab 50 % GdB (1 Begleitperson frei)
Wehr- oder Zivildienstleistende / Arbeitslose
Inhaber der Frankfurt Card
Bertha-Pappenheim-Platz 1, 60311 Frankfurt am Main