Blick in die Ignatz Bubis Ausstellung im Jüdischen Museum Frankfurt

2007: Ignatz Bubis (1927-1999) - Ein jüdisches Leben in Deutschland

Überlebender. Unternehmer. Repräsentant. Frankfurter. Visionär. Jude. Deutscher

In unserer Beitragsreihe zu 30 Jahren Jüdisches Museum wirft unser stellvertretende Direktor Michael Lenarz einen ganz persönlichen Blick zurück in das Jahr 2007. Neben der Ignatz Bubis-Ausstellung erinnert er sich auch an seine ersten Begegnungen mit Bubis.

Erste Begegnungen

Meine erste persönliche Begegnung mit Ignatz Bubis fand unter ziemlich dramatischen Umständen statt. Bei den Ausgrabungsarbeiten am Frankfurter Börneplatz hatten die städtischen Archäologen Mitte Mai 1987 ein gut erhaltenes Ritualbad freigelegt. Kulturdezernent Hilmar Hoffmann hatte für den nächsten Tag Vertreter der Jüdischen Gemeinde, der Stadtwerke, des Archäologischen Museums, des Jüdischen Museums und des Presse- und Informationsamtes zu einer Besprechung eingeladen. Angesichts der Bedeutung des Fundes, der möglicherweise das gesamte Bauprojekt der Stadtwerke in Frage stellte, sollte das kommunikative Vorgehen abgestimmt werden.

Pressetermien im Rothschildpalais s 1988 mit Stadtrat Prof. Hilmar Hoffmann, Ignatz Bubis, Georg Heuberger
Pressetermien im Rothschildpalais s 1988 mit Stadtrat Prof. Hilmar Hoffmann, Ignatz Bubis, Georg Heuberger

Mir imponierte, wie schnell und präzise Ignatz Bubis die Problemlage erfasste. Offen legte er das Dilemma dar, in dem sich die Gemeinde aufgrund früherer Zusagen an die Stadtverwaltung befand. Umgekehrt brachte er auch viel Verständnis auf für die schwierige Lage, in die der Fund Stadtverwaltung und Stadtwerke brachte. Deshalb stimmte er letzten Endes zu, die Angelegenheit einstweilen vertraulich zu behandeln, um Zeit für weitere Abstimmungsprozesse zu gewinnen. Diese Vereinbarung war zwar schon am nächsten Tag überholt, da die Presse doch von dem Fund erfahren hatte. Sie zeigte aber, wie sehr Bubis auch die Interessenlage seiner Verhandlungspartner berücksichtigte.

Symbolfigur mit Feingefühl

Den Namen Ignatz Bubis hatte ich zum ersten Mal schon 15 Jahre früher gehört. Mein Vater engagierte sich damals im Rahmen der Aktionsgemeinschaft Westend gegen die Grundstücksspekulation in diesem Stadtteil. Auch innerhalb der Aktionsgemeinschaft gab es heftige Diskussionen, wie weit man mit der Anprangerung unsozialen Verhaltens der Immobilienhändler gehen könne, ohne sich dem Vorwurf des Antisemitismus auszusetzen. Allzu häufig waren nämlich in der Öffentlichkeit durch eine ansonsten unübliche Nennung auch der Vornamen oder gar durch direkte Benennung die Juden unter den beteiligten Investoren in den Mittelpunkt der Kritik geraten.

Ignatz Bubis war seit Ende 1971 als Miteigentümer eines großen Areals an der Ecke Schumannstraße / Bockenheimer Landstraße bekannt. Bei der Stadtverwaltung galt er als ungewöhnlich sozial eingestellter Bauherr, da er die von ihm erworbenen Häuser durch die städtische Wohnheim GmbH bis zum Vorliegen einer Abrissgenehmigung an Studenten vermietete. Da die Bewohner sich aber auch nach Ablauf ihrer Mietverträge weigerten, die Häuser zu verlassen, erwirkte Bubis einen gerichtlichen Räumungstitel. Nachdem schließlich auch die Abrissgenehmigung vorlag, ließ Bubis im Februar 1974 die besetzten Häuser von der Polizei räumen. Wenige Tage später entwickelte sich eine Demonstration gegen die Räumung zu einer heftigen Straßenschlacht, die bundesweit Aufsehen erregte. Ignatz Bubis wurde durch dieses Ereignis unversehens zur Symbolfigur der verfehlten Frankfurter Stadtentwicklungspolitik in den 1970er Jahren.

Ignatz Bubis bei der Besetzung der Frankfurter Theaterbühne 1985.
Ignatz Bubis bei der Besetzung der Frankfurter Theaterbühne 1985.

Dieses Zerrbild wirkte über Jahre nach: Als Ignatz Bubis zusammen mit anderen Mitgliedern der Jüdischen Gemeinde Frankfurt im Oktober 1985 durch eine Besetzung der Bühne des Frankfurter Kammerspiels die Uraufführung des Stücks „Der Müll, die Stadt und der Tod“ von Rainer Werner Fassbinder verhinderte, kam schnell die Meinung auf, er sei das Vorbild für die Figur des „reichen Juden“ in dem Stück gewesen.

Seit Eröffnung des Jüdischen Museums im November 1988 bin ich Ignatz Bubis dann immer wieder bei Ausstellungseröffnungen und anderen offiziellen Anlässen begegnet. Ich bewunderte seine Fähigkeit, zu den unterschiedlichsten Themen aus dem Stegreif Grußworte beizutragen, die spürbar von Herzen kamen und noch dazu tiefgehend und stets dem Gegenstand, Ort, Anlass und Publikum angemessen. Umso größer war dann der Schock über die Nachricht von seinem frühzeitigen Tod.

Die Ausstellung

Nachdem ich Ignatz Bubis direkt oder indirekt schon bei einigen der großen Frankfurter Kontroversen begegnet bin, mit denen sein Name bis heute verbunden wird, bat mich Raphael Gross bald nach seinem Dienstantritt als Direktor des Jüdischen Museums, mit ihm, Fritz Backhaus und Werner Konitzer zusammen eine Ausstellung über Ignatz Bubis zu kuratieren. Sie sollte eine Reihe von Ausstellungen über zeitgenössische Themen eröffnen.

Im Mittelpunkt der Ausstellung sollte dabei nicht die Person Ignatz Bubis stehen, sondern die mit seinem Namen verbundenen Auseinandersetzungen, die das Gesicht der Bundesrepublik Deutschland wesentlich mit geprägt haben: Waren Westendkonflikt, Fassbinder-Streit und Börneplatz-Kontroverse noch stärker lokal motiviert, aber bereits bundesweit beachtet worden, so stand Bubis seit seiner Wahl zum Präsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland 1992 im Mittelpunkt eines nationalen, ja sogar internationalen Interesses. Sein öffentliches Auftreten gegen die fremdenfeindlichen Anschläge und Ausschreitungen dieser Jahre machte ihn erneut ohne sein Zutun zu einer – diesmal positiv besetzten – Symbolfigur, die sogar für das Amt des Bundespräsidenten ins Gespräch gebracht wurde. Seine letzten Jahre wurden überschattet von dem Konflikt mit Martin Walser, der Bubis an der Bereitschaft der deutschen Gesellschaft zweifeln ließ, sich auch in Zukunft ernsthaft mit den nationalsozialistischen Gewaltverbrechen und ihren Folgen auseinandersetzen zu wollen.

Für die Ausstellung wurde eine im Jüdischen Museum bis dahin ungewohnte expressive Formensprache unter Verwendung zahlreicher audiovisueller Medien gewählt. Dies sollte den fragmentarischen Charakter der Ausstellung betonen, die nur eine vorläufige Auseinandersetzung mit Ereignissen, die erst wenige Jahre oder Jahrzehnte zurücklagen, sein konnte und wollte.