Dr. Irina Scherbakowa gibt der Zivilgesellschaft in Russland seit Jahrzehnten eine Stimme. Ende der 1970er Jahre begann sie, die Lebensgeschichten von Überlebenden des Gulag-Systems, der Straf- und Arbeitslager der Sowjetunion, zu erforschen. Mit ihrer Erinnerungsarbeit an das Schicksal jeder einzelnen Person möchte sie sicherstellen, dass kein Opfer und kein Name vergessen werden.
Im Jahr 1989 gehörte Irina Scherbakowa zu den Gründerpersönlichkeiten der Menschenrechtsorganisation „Memorial“, die in beharrlicher – und von den Behörden immer wieder behinderter Arbeit – öffentlich zugängliche Archive, Bibliotheken und Dokumentationen einrichtet. Im Jahr 2022 wird „Memorial“ zusammen mit belarussischen und ukrainischen Bürgerrechtsaktivisten der Friedensnobelpreis zuerkannt. Wenig später verbieten russische Gerichte die Organisation.
Nach Putins Überfall auf die Ukraine verlässt Irina Scherbakowa Russland und setzt ihr Engagement in Deutschland fort. Sie arbeitet an der Rettung der Archive, die vom Leben in den Lagern zeugen, und setzt sich für jene ein, die in Russland Protest gegen die Gewaltherrschaft wagen. Damit beweist sie Haltung und ermutigt alle, die an die Kraft der Menschenrechte, von Demokratie und Zivilität glauben und die Hoffnung auf ein anderes Russland nicht aufgeben.
Die Laudatio auf Dr. Irina Scherbakowa hält der Historiker Prof. Dr. Norbert Frei, Leiter des Jena Center Geschichte des 20. Jahrhunderts an der Friedrich-Schiller-Universität Jena.
Oberbürgermeister Mike Josef sagte in seiner Begrüßung: „Mit ihrer Arbeit haben Sie Mut und Haltung bewiesen. Es ist nicht mutig, sich in der Demokratie, wie es einige in unserem Land tun, mit Autokraten gemein zu machen. Doch es erfordert großen Mut, in einer Autokratie seine Stimme zu erheben für Freiheit, Menschenrechte und Demokratie. Sie haben schon vor Putin gewarnt, als dies viele noch nicht hören wollten. Der Namensgeber dieses Preises, Ludwig Landmann, der als Verfolgter des Nationalsozialismus‘ in die Niederlande floh und dort kurz vor der Befreiung im Versteck an Auszehrung starb, ist ein Beispiel dafür, dass am Ende die guten Ideen überleben. Die Werte der Aufklärung sind letztlich stärker gewesen als der deutsche Totalitarismus. Frau Scherbakowa ist eine Aufklärerin im bestem Sinne.“
Die feierliche Preisverleihung im Kaisersaal des Frankfurter Römers wird live auf dem Youtube-Kanal des Jüdischen Museums gestreamt.
Der mit 10.000 Euro dotierte Ludwig Landmann-Preis für Mut und Haltung wurde von der Gesellschaft der Freunde und Förderer anlässlich der Wiedereröffnung des Jüdischen Museums im Jahr 2020 ins Leben gerufen. Mit dem Preis will die Gesellschaft die Erinnerung an Ludwig Landmann wachhalten, der Frankfurt von 1924 bis 1933 mit visionärer Kraft als Oberbürgermeister regierte und wegen seiner jüdischen Herkunft von den Nationalsozialisten vertrieben und verfolgt wurde.
Der Preis wird alle zwei Jahre an herausragende Persönlichkeiten verliehen, die sich für eine offene Gesellschaft, für die Vermittlung von jüdischer Geschichte und Kultur, gegen Antisemitismus und Menschenfeindlichkeit, für transkulturelle Verständigung und inter-religiösen Dialog, für respekt- und wirkungsvolle Formen der Erinnerung an den Holocaust und die Verteidigung des Existenzrechts des Staates Israel einsetzen.
Erster Preisträger im Jahr 2021 war der Historiker und Autor Prof. Dr. Saul Friedländer, zweiter Preisträger im Jahr 2022 der Pianist Igor Levit.
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- Von links nach rechts: Oberbürgermeister Mike Josef; Prof. Dr. Mirjam Wenzel, Direktorin Jüdisches Museum Frankfurt; Preisträgerin Dr. Irina Scherbakowa; audator Prof. Dr. Norbert Frei, Leiter des Jena Center Geschichte des 20. Jahrhunderts an der Friedrich-Schiller-Universität Jena; Werner D’Inka, Vorsitzender der Gesellschaft der Freunde und Förderer des Jüdischen Museums Frankfurt; Wilhelm Bender, Kuratoriumsvorsitzender der Gesellschaft der Freunde und Förderer des Jüdischen Museums Frankfurt (Download JPG)
- Dr. Irina Scherbakowa mit Werner D’Inka (Download JPG)
- Dr. Irina Scherbakowa (Download JPG)
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