Das Jüdische Museum Frankfurt hat seinen Platz in der europäischen Museumslandschaft gefunden. Das zeigen die internationale (Presse)Resonanz wie auch die Besucherzahlen, die das Museum im Vergleich zu den Jahren vor seiner Wiedereröffnung verdoppeln konnte. Im ersten vollen Museumsjahr seit der Neueröffnung haben insgesamt rund 76.400 Personen das Jüdische Museum bzw. das Museum Judengasse besucht oder an einem der Angebote im Stadtraum teilgenommen. Rund 57.000 Personen kamen 2022 in den neuen Museumskomplex am Bertha-Pappenheim-Platz, etwa 18.500 Besucherinnen und Besucher zählte das Museum Judengasse, weitere 1.100 Personen ließen sich über die Erinnerungsstätte an der Großmarkthalle auf und neben dem Gelände der Europäischen Zentralbank führen. Große Resonanz erfuhr insbesondere das schulische Bildungsangebot: Rund 4.000 Schülerinnen und Schüler aller Schulformen haben an Führungen und Workshops teilgenommen.
Eines noch sehr viel größeren Zuspruchs erfreut sich das Jüdische Museum im Internet: Die Website des Museums und seine weiteren Online-Präsenzen (Shoah Memorial Frankfurt und METAhub Frankfurt) wurden 2022 von 280.000 Userinnen und Usern aufgesucht und die Videos auf dem museumseigenen YouTube-Kanal im Umfang von 6.130 Stunden insgesamt 52.500 Mal aufgerufen. Auf den Social-Media-Plattformen Facebook und Twitter erfreuten sich die Beiträge jeweils mehr als 1,5 Millionen Klicks. Im Durchschnitt interessierten sich jede Woche etwa 35.000 Userinnen und User für die verschiedenen digitalen Angebote. Für das Jahr 2023 rechnet das Jüdische Museum Frankfurt mit einer weiteren Steigerung seiner Besucherzahlen im physischen wie im digitalen Raum. Im Januar besuchten bereits 8.200 Menschen die beiden Museen – das sind mehr als in jedem anderen Monat des Jahres 2022. Neben dem Wiederaufleben des Tourismus und dem Abklingen der Pandemie ist das gestiegene Interesse auf das Programm des Museums zurückzuführen. Im Januar erfreuten sich die Gesprächsveranstaltungen „Die neue Frau – heute“ und „documenta 15: Der Skandal und die Folgen“ mit insgesamt 300 Zuhörenden großer Aufmerksamkeit ebenso wie die Wechselausstellung „Zurück ins Licht. Vier Künstlerinnen – Ihre Werke. Ihre Wege“ mit etwa 4.000 Besucherinnen und Besu-chern. Das Museum hat sich aufgrund dieses Erfolgs entschieden, die Laufzeit der Ausstellung mit Werken von Rosy Lilienfeld, Amalie Seckbach, Ruth Cahn, Erna Pinner und der zeitgenössischen Mehrkanal-Videoinstallation von Elianna Renner um 6 Wochen zu verlängern. Die Finissage findet nun am Montag, 29. Mai 2023 statt.
Jahresprogramm 2023
Das Jüdische Museum Frankfurt intensiviert in diesem Jahr sein abwechslungsreiches Programm mit Gesprächsformaten, Lesungen und Konzerten – und bezieht dabei auch vermehrt den Bertha-Pappenheim-Platz als Veranstaltungsort mit ein. Neben feststehenden Veranstaltungsformaten wie der intellektuellen Gesprächsreihe „Denken ohne Geländer“ mit Michel Friedman spielen dabei insbesondere wechselnde Ausstellungen, Pop-up-Präsentationen und digitale Angebote eine zentrale Rolle. Besonders hervorzuheben sind:
1.) Mapping Memories – Judengasse Extended. Pop-up-Ausstellung mit Performances, Workshops, Artist Talks und Podiumsgesprächen in und rund um das Museum Judengasse vom 13. Bis 30. April 2023
Das mehrtägige Event findet im Rahmen von METAhub (Museum, Education, Theater, Arts) Frankfurt statt, einem mehrjährigen Kooperationsprojekt des Jüdischen Museums mit dem Archäologischen Museum und dem Künstlerhaus Mousonturm, das jüdische Kulturgüter auf performative und digitale Weise im Stadtraum sichtbar macht. Im Zentrum von „Mapping Memories – Judengasse Extended“ stehen archäologische Fundstücke aus der Judengasse sowie deren Verhältnis zum heutigen Stadtraum. Neben einer Pop-up-Ausstellung im Museum Judengasse sind architektonische Interventionen und digitale Rekonstruktionen, Performances und Führungen, Workshops, Künstlerinnengespräche und zwei Podiumsdiskussionen geplant. Näheres zum Projekt und dem Programm sind auf der Website zu finden: metahubfrankfurt.de
2.) Metall & Gesellschaft. Wilhelm Merton – Unternehmer mit sozialer Verantwortung. Kabinettausstellung im Jüdischen Museum, 14. Mai 2023 bis 7. Januar 2024
Die Merton-Straße, das Merton-Viertel, eine Berufsschule, ein Übersetzerpreis sowie ein Universitätsinstitut erinnern in Frankfurt an Wilhelm Merton, dessen Engagement die Stadt so viel verdankt. Wer aber war Wilhelm Merton, der 1848 in eine Frankfurter jüdische Familie geboren wurde? Aus Anlass des 175. Geburtstages von Wilhelm Merton geht das Jüdische Museum dieser Frage in einer Ausstellung nach, die insbesondere das unternehmerische und sozialreformerische Wirken des Gründers der Metallgesellschaft thematisiert. Die Ausstellung richtet den Blick nicht nur auf bislang wenig bekannte Facetten des Lebens von Wilhelm Merton, sondern mit eigens entwickelten Fotoarbeiten und Bildungskooperationen auch auf soziale wie auch ökologische Fragen in der gegenwärtigen globalisierten Welt. Mehrere Begleitveranstaltungen an verschiedenen Orten in Frankfurt und eine Publikation, die im Verlag Hentrich & Hentrich erscheint, ergänzen die Ausstellung, die unter der Schirmherrschaft der Frankfurter Kulturdezernentin Dr. Ina Hartwig steht. Weitere Informationen: Metall & Gesellschaft. Wilhelm Merton – Unternehmer mit sozialer Verantwortung
3.) Paulskirche und demokratisches Selbstverständnis. Pop-up-Archiv zu 75 Jahren bundesdeutschem Diskurs vom 17. bis 21. Mai 2023 auf dem Bertha-Pappenheim-Platz und im Juni 2023 an drei verschiedenen Orten im Stadtraum
Zum 175-jährigen Jubiläum der Nationalversammlung richtet das Jüdische Museum Frankfurt die Aufmerksamkeit auf den Wiederaufbau der Paulskirche im Jahr 1948 und die Reden, Ausstellungen und Konflikte, die seither in der „Wiege der deutschen Demokratie“ gehalten, gezeigt und ausgetragen wurden. In einem eigens gestalteten Pop-up-Archiv werden Fotos, Zeitungsberichte, Manuskripte, Ton- und Filmdokumente präsentiert, die sich auf vier zentrale Aspekte konzentrieren: das Konzept des Wiederaufbaus und die ersten Veranstaltungen in der Paulskirche Ende der 1940er Jahre, die Ausstellungen und Reden zu Auschwitz, die vor Ort zu sehen und zu hören waren, die nationalkonservativen Umdeutungsversuche der deutschen Geschichte und fortschreitende Pluralisierung der Erinnerungskultur vor Ort. Das Pop-up-Archiv wird während der Jubiläumswoche erstmals auf dem Bertha-Pappenheim-Platz und im Juni an verschiedenen Orten im Stadtraum präsentiert. Seine Gestaltung lädt Jugendliche und junge Erwachsene zur Partizipation und Diskussion ein.
4.) Ausgeblendet – Eingeblendet. Eine jüdische Filmgeschichte der Bundesrepublik Deutschland. Ausstellung im Jüdischen Museum vom 14. Juli 2023 bis 14. Januar 2024
Die Ausstellung widmet sich erstmalig der jüdischen Filmgeschichte der Bundesrepublik Deutschland und zeichnet die Lebenswege und Karrieren jüdischer Produzenten, Regisseurinnen und Regisseure oder Schauspieler und Schauspielerinnen nach, die mal am Rande, mal im Zentrum der Filmproduktion standen. Die Ausstellung thematisiert das Spannungsverhältnis zwischen ihrem Filmschaffen und der allgemeinen bundesdeutschen Filmgeschichte von der unmittelbaren Nachkriegszeit bis zur deutsch-deutschen Wiedervereinigung. Den Ausgangpunkt bildet eine Videoinstallation mit Statements von zeitgenössischen Filmschaffenden zur Frage, ob sie ihr Jüdischsein in der Filmproduktion lieber ein- oder lieber ausgeblendet sehen (wollen). Der sich anschließende Rundgang geht sowohl auf die ersten Filmproduktionen jüdischer Überlebender wie Artur Brauner als auch auf die Filme von Stars wie Lilli Palmer oder von Autorenfilmemacherinnen wie Jeanine Meerapfel ein. Seine Gestaltung nimmt Bezug auf den historischen Ort der Filmproduktion, das Studio, und setzt Filmausschnitte und –requisiten neben persönlichen Zeugnissen in Szene. Die Ausstellung basiert auf jahrelanger Forschung der beiden Kuratoren und Filmwissenschaftlerinnen Lea Wohl von Haselberg und Johannes Praetorius-Rhein und wird in Kooperation mit dem DFF – Deutsches Filminstitut & Filmmuseum e.V. entwickelt. Weitere Informationen: Ausgeblendet – Eingeblendet
5.) Abschluss der digitalen Strategie: die neue App des Jüdischen Museums Frankfurt
Die digitale Strategie des Jüdischen Museums Frankfurt wurde 2016 entwickelt und umfasst eine Vielzahl an Projekten, die der Kommunikation, Vermittlung und Forschung im digitalen Raum gewidmet sind. Mit der im Februar 2023 gelaunchten App ist sie nunmehr abgeschlossen. Die App fungiert als zielgruppenspezifischer Mediaguide für die Dauerausstellung im Rothschild-Palais, den die Besucherinnen und Besucher sich entweder aus den App-Stores von Google und Apple auf ihr Smartphone laden oder auf Leih-Tablets mit Kopfhörern ansehen und -hören können. Die Entwicklung der App wurde unter anderem von der Dr. Marschner Stiftung finanziert. Deren Vorstand, Peter Gatzemeier, beschrieb das Anliegen der Unterstützung mit den Worten: „Die Dr. Marschner Stiftung freut sich, den digital innovativen und inhaltlich wie optisch attraktiven Guide des Jüdischen Museums in Frankfurt mittragen zu können. Das langanhaltende Projekt ist nicht nur für das Publikum eine Bereicherung vor Ort, sondern nimmt mit seinen einzelnen Features weit über das Museum hinaus die Vielfältigkeit unserer Frankfurter Stadtgesellschaft auf.“
Die App umfasst sowohl einen 90-minütigen wie auch einen 60-minütigen Highlight-Rundgang jeweils in deutscher wie in englischer Sprache. Sie umfasst zudem drei inklusive Angebote: eine Tour für höreingeschränkte Besucherinnen und Besucher mit Gebärdensprachen-Videos, eine Audioführung in Leichter Sprache sowie eine Tour für Seheingeschränkte. Letztere besteht aus eingehenden Beschreibungen zu ausgewählten Exponaten und führt zu den Tastobjekten in der Dauerausstellung. Die inklusiven Spuren wurden von der Crespo Foundation gefördert, deren Vorstand, Prof. Christiane Riedel, wissen lässt: „Die Crespo Foundation engagiert sich für die Bildungsteilhabe und kulturelle Teilhabe aller Menschen. Dass die Angebote des Jüdischen Museums auch für Zielgruppen erschlossen werden, für die der Zugang aus unterschiedlichen Gründen erschwert ist, unterstützen wir sehr. Das Jüdische Museum geht hier mit dem Mediaguide neue Wege, um die kulturelle Teilhabe für mehr Menschen zu ermöglichen.“
Pressebilder
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- Wilhelm Merton © Historisches Museum Frankfurt, (Foto Horst Ziegenfusz) (Download JPG)
- "Ausgeblendet – Eingeblendet": Der Regisseur Imo Moszkowicz bei Dreharbeiten zu Torquato Tasso, 1968, Privatnachlass Imo Moszkowicz (Download JPG)