Im Angesicht des Todes

Ausstellung im Jüdischen Museum Frankfurt

30.10.2024: Am 1. November 2024 eröffnet das Jüdische Museum Frankfurt die Ausstellung „Im Angesicht des Todes“, zu sehen bis 6. Juli 2025.

Das Jüdische Museum Frankfurt zeigt vom 1. November an die erste kulturgeschichtliche Ausstellung über jüdische Vorstellungen und Praktiken rund um Sterben, Tod und Trauer. Die Ausstellung „Im Angesicht des Todes“ stellt erstmals umfassend dar, wie das antike Judentum eine eigene Vorstellung vom Tod entwickelte, die sich von derjenigen der sie umgebenden Kulturen unterschied. Auf neue Bestattungsriten folgten eigene Praktiken der Trauer sowie eine rituelle Form der Unterscheidung zwischen Leben und Tod, die bis heute maßgeblich für die jüdische Tradition ist.

Neben rituellen Gegenständen, digitalen Medien und partizipativen Stationen präsentiert die Ausstellung auch künstlerische Reflexionen zum Thema – insbesondere von zeitgenössischen Künstlerinnen und Künstlern wie etwa Eliyahu Fatal, Asaf Gam Hacohen, Tobi Kahn, Jacqueline Nicholls, Ilana Salama Ortar und Ruth Patir. Bildgewaltig ist der Tod auch in Gemälden der Klassischen Moderne etwa von Felix Nussbaum (u.a. „Triumph des Todes“, 1944) und Else Meidner (gezeigt wird unter anderem „Frauenakt mit Todesengel“, 1949) oder in den Lithografien von El Lissitzky (aus der Mappe Chad Gadja, 1919) in Szene gesetzt. Eine eigens in Auftrag gegebene fotografische Serie von Laura J. Padgett wendet sich indessen dem Neuen Jüdischen Friedhof zu, einem der stillen Orte, an der die letzten „rites de passages“ vollzogen werden. Die ungewöhnliche Ausstellungsarchitektur, die mit Lehm und Licht spielt, stammt vom Künstlerkollektiv YRD.works. Sie betont die Spannung zwischen der Stofflichkeit des Lebens und der immateriellen Sphäre der kommenden Welt (hebräisch: Olam Haba).

Auf mehr als 600 Quadratmetern gliedert die Wechselausstellung den Themenkomplex in fünf räumliche Zusammenhänge, die Übergänge und Unterscheidungen zwischen Leben und Tod nachvollziehbar werden lassen:

1. Das Angesicht des Todes

Das Intro zur Ausstellung präsentiert das Motiv des personifizierten Todes in religiösen jüdischen Schriften sowie in der Bildenden Kunst. 

2. Sterben

Die darauffolgenden Räume gehen sowohl auf religiöse Praktiken der Sterbebegleitung wie auch auf ethische Fragen rund um die medizinische Beschleunigung oder Verlangsamung des Sterbens (assistierter Suizid/Sterbehilfe, Triage) sowie den Todeszeitpunkt (Hirntod, Organspende) ein. Hier wird der erste Interview-Film gezeigt: Gespräche mit Besucherinnen und Besuchern der beiden historischen Frankfurter Friedhöfe an der Battonnstraße und an der Rat-Beil-Straße. Dabei kommen auch persönliche Bezüge zu den Gräbern jüdischer Gelehrter und ihrer Vorfahren wie etwa zu Reisele Sofer, Mutter des Rabbiners Moses Schreiber (bekannt als Chatam Sofer, 1762 - 1839) oder zu Rabbiner Samson Raphael Hirsch, dem Begründer der modernen Orthodoxie, zur Sprache.

3. Beerdigung

Neben der Kleidung der Toten und weiteren Dingen, die mit den Beerdigungsritualen zusammenhängen, wird in diesem thematischen Schwerpunkt der Ausstellung mit filmischen Interviews darauf eingegangen, wie sich der Umgang mit den Riten bei außergewöhnlichen Umständen oder Ereignissen gestaltet – in diesem Fall bei Beerdigungen während der Corona-Pandemie.

4. Trauer

In der jüdischen Tradition ist die Trauerzeit in verschiedene Perioden unterteilt (Schiwa, Schloschim, Jahrzeit), die mit spezifischen Praktiken und Gebeten einhergehen (Kaddisch, Jiskor, El Male Rachamim). Die räumliche Inszenierung macht diese Praktiken erfahrbar und rückt sie in einen thematischen Zusammenhang mit der jüdischen Erinnerungskultur, die die Namen der Verstorbenen im Gedächtnis bewahrt. Eine besondere Rolle spielt dabei das gemeinschaftliche Gedenken an die Pogrome des Mittelalters, an die Opfer der Schoa und des Massakers vom 7. Oktober 2023.

5. Olam Haba – Die kommende Welt

Die Sehnsucht nach ewigem Leben, die Beziehung von Diesseits und Jenseits (Wiederauferstehung, Seelenwanderung) und jüdische Vorstellungen von der Nachwelt (u.a. Scheol, Olam haNeschamot, Gehinnom oder Olam Haba genannt) bilden die letzten Stationen der Ausstellung. Dabei findet auch die Frage Erwähnung, inwieweit Verstorbene in der digitalen Welt ein Nachleben haben.

Die Ausstellung wurde von Sara Soussan, Kuratorin für jüdische Gegenwartskulturen und zeitgenössische Kunst, und Erik Riedel, Ausstellungsleiter des Jüdischen Museums, unter Mitwirkung von Dennis Eiler kuratiert. Im Rahmen der konzeptionellen Arbeiten nahmen sie unter anderem mit Kindern, Studierenden und Pflegepersonal Kontakt auf und baten sie um persönliche Texte zu den Objekten der Ausstellung. Diese alternativen Objekttexte sind Bestandteil des Rundgangs und erweitern die Perspektiven auf das Thema Tod. Dem multiperspektivischen Zugang entsprechend steht auch eine kuratierte Playlist auf Spotify zur Verfügung, die von Hörerinnen und Hörern weitere Songs ergänzt werden kann.

Die Mediaguide-App des Jüdischen Museums wurde anlässlich der Eröffnung erstmals um eine Tour durch die Wechselausstellung in deutscher, englischer und in Leichter Sprache ergänzt. Sie kann in den Stores von Google und Apple heruntergeladen oder an der Museumskasse auf Tablets mit Kopfhörern kostenfrei ausgeliehen werden. Im Frühjahr 2025 erscheint zudem ein Podcast zur Ausstellung, in dem sich die Journalistin Shelly Kupferberg mit ausgewählten Persönlichkeiten über Sterben, Tod und Trauer unterhält.

Die Ausstellung wird von einem umfangreichen Katalog begleitet, der im Verlag Hentrich & Hentrich in deutscher und in englischer Sprache erscheint. Neben Essays von renommierten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, Rabbinern und Ärzten zu den einzelnen thematischen Stationen, Kunstwerken und Objekten der Ausstellung kommen dabei auch religionsvergleichende Perspektiven zum Tragen. Das umfangreiche Begleitprogramm zur Ausstellung ist auf der Ausstellungs-Website zu finden.

Ausstellung und Begleitprogramm konnten dank großzügiger Förderung der Art Mentor Foundation Lucerne sowie der Kulturstiftung des Bundes realisiert werden.

Pressematerial zum Download

  •  Kurzvorstellung der Künstler:innen (Download PDF)
  •  Factsheet zur Ausstellung (Download PDF)
  •  Samuel Bak, Ner Tamid, 1978-1992 © Jüdisches Museum Frankfurt, Foto: Norbert Miguletz (Download JPG)
  •  Else Meidner, Frauenakt mit Todesengel © Ludwig Meidner-Archiv, Jüdisches Museum Frankfurt, Foto: Herbert Fischer (Download JPG)
  •  Ruth Patir, My Father in the Cloud (Videostill), 2022 © Jan Fischer (Download JPG)
  •  Olam Haba –  Die kommende Welt, Foto: Norbert Miguletz (Download JPG)
  •  Im Angesicht des Todes, Ausstellungsansicht, Foto: Norbert Miguletz (Download JPG)