Am 21. Oktober 2020 öffnete das grunderneuerte und um einen Neubau erweiterte Jüdische Museum Frankfurt zum ersten Mal seine Türen. Elf Tage später musste es aufgrund der Corona-Verordnungen wieder geschlossen werden. Das Museumsteam stieg umgehend auf digitale Formate um und reüssierte etwa mit hybriden Veranstaltungen und Online-Führungen, die bis heute Teil seines Angebots sind. Seit Mai 2021 ist es durchgehend geöffnet und hat seither – auch an seinen anderen Standorten, dem Museum Judengasse, dem Goldenen Apfel und der Erinnerungsstätte an der Großmarkthalle – etwa 400.000 Menschen willkommen geheißen. Im Jahr 2022 wurde der neue Museumskomplex mit dem wichtigsten deutschen Architekturpreis, der „Großen Nike“, offiziell zu einem der schönsten Museumsbauten Deutschlands gekürt.
Erfolge und Highlights der vergangenen fünf Jahre
Binnen fünf Jahren hat das Museumsteam in dem Neubau am Bertha-Pappenheim-Platz zehn Wechselausstellungen, sechs Kabinett- und drei Pop-up-Präsentationen eröffnet. Es gelang, die größte Sammlung an Fotografien und Dok-menten von Gisèle Freund in Deutschland aufzubauen, drei Meisterwerke von Moritz Daniel Oppenheim sowie den künstlerischen Nachlass des Bildhauers Benno Elkan anzukaufen. Das Museum empfing zahlreiche international bekannte Künstlerinnen und Künstler, Intellektuelle, Politikerinnen und Politiker, Schauspielerinnen und Schauspieler – von Alice Merton über Mike D. von den Beastie Boys, Wolf Biermann, Igor Levit und Samuel Finzi bis hin zum spanischen König Felipe VI. Gemeinsam mit dem Archäologischen Museum Frankfurt entwickelte das Museum eine digitale Plattforminfrastruktur, die nun von anderen Frankfurter Museen zur Darstellung von Geschichten mit Sammlungsobjekten genutzt wird, und gewann mit seinem Shoah Memorial Frankfurt mehrere internationale Auszeichnungen.
Seit 2023 präsentiert das Jüdische Museum in einen Gewölbekeller aus dem Jahr 1809 eine multimediale Ausstellung zum Kampf um Gleichberechtigung von Jüdinnen und Juden im 19. Jahrhundert. Dieser Keller, der „Goldene Apfel“, soll in den nächsten fünf Jahren zum Ausgangspunkt digitaler Experimente, partizipativer Auseinandersetzungen mit Stadtentwicklung und historisch-politischer Demokratiebildung werden. Damit baut das Museum nicht nur seine digitale Strategie, sondern auch sein Selbstverständnis als Diskursort über gesellschaftspolitische Themen nach seinem Jubiläum weiter aus. Für eben diese Arbeit wurde seine Direktorin, Prof. Dr. Mirjam Wenzel, mit dem Hessischen Kulturpreis 2024 ausgezeichnet.
Folgen des 7. Oktober
Eine Zäsur in der Museumsarbeit der vergangenen fünf Jahre stellt der 7. Oktober 2023 und der auf das Massaker von Hamas folgende Anstieg antisemitischer Gewalt dar. Diese spiegelt sich in einer Zunahme an digitalen Hassbotschaften, Vandalismus, antisemitischen Sprüchen, volksverhetzenden Zeichen sowie geschichtsrevisionistischen Äußerungen und Zuschriften gegenüber dem Jüdischen Museum Frankfurt. Das Museumsteam begegnet dem mit einer Bildungsoffensive an Schulen, einer Vielzahl an Veranstaltungen, in deren Zentrum die Zäsur des 7. Oktober und die Reflexion über Antisemitismus steht, und erinnerte bis zum 13. Oktober 2025 beinahe zwei Jahre lang mit einer Soundinstallation auf seinem Vorplatz an die Namen und das Alter der gewaltsam nach Gaza verschleppten Geiseln. Die Anstrengungen des Museums wurden von einer hohen Anzahl an wiederkehrenden Besucherinnen und Besuchern sowie einem Anstieg der Mitgliedszahlen in der Gesellschaft seiner Freunde und Förderer um 27 Prozent binnen zwei Jahren belohnt.
Neuigkeiten zum Jubiläum
Anlässlich seines fünften Jubiläums hat das neue Jüdische Museum eine Image-Kampagne initiiert, die an das Motto seiner Eröffnungskampagne anknüpft. Dieses lautete „Wir sind JETZT“ und ist auf dem Titelblatt des Magazins zu finden, das zum fünfjährigen Jubiläum erscheint und einen Rückblick auf die Museumsarbeit wirft. Es kann an allen Standorten des Museums kostenfrei mitgenommen werden. Die bundesweite Imagekampagne entwickelt die Formensprache der Eröffnungskampagne weiter. Anstelle des Wortes „JETZT“ liegt die Betonung nun auf dem Wort „WIR“, das mit einem jiddischsprachigen Verb kombiniert wird. Die Kampagne eröffnet der Moderator, Schauspieler, Musiker und Autor Daniel Donskoy mit dem Slogan „Wir lieben Mentshn“. Es folgen „Die Zweiflers“ aus der gleichnamigen ARD-Kurzserie mit: „Wir wünschen Hals- und Beinbruch“.
Begleitend zu dieser Kampagne erweitert das Jüdische Museum mit finanzieller Unterstützung durch die Hertie-Stiftung seine Social-Media-Strategie, die zukünftig auch einen TikTok-Kanal mit einer eigenen Content-Producerin umfassen wird. Mit diesem neuen Kanal möchte das Museum sowohl Teenager und junge Erwachsene ansprechen wie auch Desinformation über jüdische Geschichte und Kultur entgegenwirken.
Unter Federführung der Kuratorinnen Dr. Liane Giemsch und Dr. Franziska Krah wurde der Raum „Gegen den Judenhass“ in der dritten Etage der Dauerausstellung umgestaltet. Mehrere interaktive Stationen laden nun dazu ein, selbst aktiv zu werden: eine Feedback-Wand fordert zur persönlichen Auseinandersetzung auf, während historische Klebezettel gegen Judenhass darauf warten, auf judenfeindliche Briefmarken geklebt zu werden. Ein eigens entwickeltes Wimmelbild stellt das Jüdische Museum als Haus voller Vielfalt dar und lädt dazu ein, bunt ausgemalt zu werden. Highlights des Raumes sind die eindrucksvolle Präsentation von Benno Elkans Leuchter „Die fünf Makkabäer“ sowie ein Gebärdensprachenfilm zu Friedrich Hollaenders parodistischem Lied „An allem sind die Juden schuld“.
Die Mehr-Kanal-Videoinstallation „Ask the Rabbi“ in der zweiten Etage der Dauerausstellung hat zum Jubiläum ebenfalls eine neue Form angenommen. Kuratorin Sara Soussan nahm eine inhaltliche Überarbeitung der Zusammenstellung von Antworten der vier in Frankfurt amtierenden Rabbinerinnen und Rabbiner zu zentralen Fragen der jüdischen Tradition vor. Die Installation wird nunmehr auf hochauflösenden LED-Screens präsentiert.
Dr. Ina Hartwig, Dezernentin für Kultur und Wissenschaft der Stadt Frankfurt bilanziert: „Zum fünfjährigen Jubiläum der Eröffnung des bedeutend erweiterten Neubaus sowie der Wiedereröffnung des liebevoll sanierten Rothschild-Palais gratuliere ich herzlich. In nur einer halben Dekade hat sich das städtische Museum für die Stadt Frankfurt und ihr kulturelles Leben zu einer zentralen Stimme entwickelt. Als ‚Museum ohne Mauern‘ – wie es sich selbst nennt, sondern es auch einsetzt – prägt und trägt es das kulturelle Profil Frankfurts weit über die Stadtgrenzen hinaus.“
Das Jüdische Museum Frankfurt lädt alle Interessierten zu einem ganztägigen Fest mit Gesprächen, Führungen, Lesungen und Konzerten ein. Den ganzen Tag über geben die Protagonistinnen und Protagonisten der Dauerausstellung einen Einblick in ihre persönlichen Perspektiven auf die Präsentation.
Folgende Gespräche beginnen jeweils im Raum „Gegenwart“ im 3. Stock der Dauerausstellung:
Kurt de Jong, B’nai B‘rith Frankfurt Schönstädt Loge und Produzent des legendären Etrog-Likörs, 11:00 – 12:00 Uhr
Peter Loewy, Fotograf und Lehrer, 11:30 – 12:00 Uhr
Yael Ungar, Künstlerin und Mitgestalterin der Dauerausstellung, 12:30 – 13:30 Uhr
James und David Ardinast, Gastronomen (IMA Clique), 15:00 – 16:00 Uhr
Noam Quensel, Student und Vorstandsmitglied der Jüdischen Studierendenunion Deutschland (JSUD), 15:30 -16:30 Uhr
Im Raum „Ask the Rabbi“ im 2. Stock der Dauerausstellung sind anzutreffen:
Rabbiner Julian Chaim Soussan, 12:00 – 13:00 Uhr
Rabbiner Andrew Steinman, 15:00 – 16:00 Uhr
Rabbinerin Prof. Dr. Elisa Klapheck, 16:30 – 17:30 Uhr
Führungen bieten an:
Dr. Franziska Krah und Dr. Liane Giemsch, Kuratorinnen des neu gestalteten Raums „Gegen den Judenhass“, präsentieren die Neuerungen, 10:00 Uhr und 14:00 Uhr, Start: im Foyer
Die Direktorin des Jüdischen Museums Frankfurt, Prof. Dr. Mirjam Wenzel, und die stellvertretende Direktorin, Dr. Eva Atlan, führen erstmalig zum Thema „Zionismus“, 16:00 Uhr, Start: im Foyer
Kurz-Konzerte erklingen am Rothschild-Flügel in der 1. Etage der Dauerausstellung
14:00 – 14:20 Uhr; 16:00 – 16:20 Uhr und 17:30 – 17:45 Uhr
Am Flügel: Gilad Katznelson
Geburtstagskuchen im Foyer mit Museumsdirektorin Prof. Dr. Mirjam Wenzel, 17:30 Uhr
Premiere des letzten Krimis von Michel Bergmann im Saal, 18 Uhr
Grußwort: Ina Hartwig, Dezernentin für Kultur und Wissenschaft der Stadt Frankfurt
Moderation: Sara Soussan
Podium: Sängerin und Schauspielerin Vivian Kanner, Schauspieler, Autor und Moderator Ilja Richter (Disco) und weitere
Im Anschluss (etwa 20 Uhr)
Konzert von und mit Daniel Kahn: Klezmer ist Leben, Lust, Humor
Der Eintritt ist frei.
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