Else Meidner. Melancholia

Kabinettpräsentation im Jüdischen Museum Frankfurt

Kabinettpräsentation „Else Meidner. Melancholia“, Raum „Kunst & Exil“, im dritten Stock der Dauerausstellung „Wir sind Jetzt“ im Jüdischen Museum Frankfurt, 23. Mai 2024 bis 02. März 2025

Das Jüdische Museum Frankfurt widmet der Malerin und Zeichnerin Else Meidner zum zweiten Mal eine eigene Ausstellung. Gezeigt werden zwischen dem 23. Mai 2024 und dem 02. März 2025 in drei Hängungen insgesamt 57 großformatige Porträtzeichnungen der Künstlerin, die gemeinhin vor allem als Partnerin von Ludwig Meidner in der Kunstgeschichte Erwähnung findet. Dem möchte das Jüdische Museum mit der Kabinettpräsentation entgegenwirken und die Wahrnehmung Else Meidners als Künstlerin mit einem eigenständigen Werk stärken. Die Ausstellung besteht beinahe ausnahmslos aus Porträtbildern von Frauen.

Else Meidner arbeitete in ihren Porträtzeichnungen mit Gesten, um die Intensität des Ausdrucks subtil zu steigern. Besonders der Melancholie-Gestus, der die Dargestellten mit in der Hand aufgestütztem Kopf zeigt, durchzieht ihr gesamtes Schaffen. Dies verdeutlicht etwa das „Selbstbildnis mit Dämonen“, eine Fettkreidezeichnung, die nicht datiert, aber mit dem Monogramm EMM (für Else Meyer Meidner) signiert ist. Es muss nach ihrer Heirat mit Ludwig Meidner 1927 und dem damit einhergehenden Namenswechsel entstanden sein. Die Zeichnung bezieht sich auf zwei prominente kunsthistorische Vorbilder: Albrecht Dürers Kupferstich „Melancholia I“ von 1514, dem bekanntesten Beispiel für den Melancholie-Gestus, wie auch die Aquatinta-Radierung „Der Schlaf der Vernunft gebiert Ungeheuer“ von Francisco de Goya von 1799. Ebenso wie der Künstler Goya, der im Schlaf von unheimlichen Wesen mit Flügeln heimgesucht wird, gibt Else Meidner in dieser Zeichnung sich selbst als von Dämonen umgeben wieder. Im Werk der Künstlerin finden sich zahlreiche Selbstbildnisse. Immer wieder befragte sie ihr Spiegelbild – nicht nur nach ihrem Aussehen, sondern vor allem nach ihrer inneren Befindlichkeit. Ihre Selbst-, wie auch ihre Porträtzeichnungen von anderen Frauen gehen dem Spannungsfeld zwischen selbstvergessener Nachdenklichkeit, Resignation und Trauer nach. Im Zentrum der Kabinettpräsentation steht daher die nuancierte Gestik, mit der Else Meidner in ihrem Porträtwerk die Seele des Menschen widergibt.

Else Meidner (02. September 1901 in Berlin – 07. Mai 1987 in London), geborene Meyer, studierte – entgegen dem Wunsch ihrer Eltern – Bildende Kunst in Berlin und wurde von Käthe Kollwitz und Max Slevogt gefördert. Sie war Schülerin des Expressionisten Ludwig Meidner und wurde später seine Ehefrau. Der renommierte Kritiker Max Osborn schrieb Ende der 1920er Jahre über ihre Bilder:

„Hier ist überall große Form, ein merkwürdiges Gefühl des rätselvollen und schmerzhaften Zusammenhangs der Weltdinge, und zugleich eine feste Hand, die sich nicht verliert. Man sieht einen Weg, der hinaufführt."

1933 wurde dieser Weg jäh unterbrochen: Ausstellungen waren der Künstlerin fortan nur noch für ein jüdisches Publikum, etwa im Rahmen des Jüdischen Kulturbunds möglich. 1935 nahm ihr Mann eine Stelle als Zeichenlehrer an einer jüdischen Schule in Köln an. Else Meidner folgte ihm mit dem gemeinsamen Sohn David. Im August 1939 führte sie der gemeinsame Weg nach London ins Exil. Nach ihrer Ankunft arbeitete sie zunächst als Dienstmädchen bei einer älteren Frau im Süden Londons, wo sie auch wohnte. Anders als ihr Ehemann, der Anfang der 50er Jahre nach Deutschland zurückkehrte und hier wieder Anerkennung als Künstler fand, lehnte Else Meidner eine dauerhafte Rückkehr ab. Mitte der 60er Jahre gab sie die Malerei aus gesundheitlichen Gründen, aber auch aus Entmutigung, auf.

Trotz Flucht und der schwierigen Umstände im Exil hat Else Meidner eine beachtliche Zahl an Kunstwerken geschaffen: Das Ludwig Meidner Archiv des Jüdischen Museums Frankfurt, das den Nachlass von Else Meidner beherbergt, umfasst gut 1.300 Werke der Künstlerin. Darin nehmen Porträts und Selbstporträts einen ungewöhnlich breiten Raum ein; Landschaften und Stillleben ergänzen das Portfolio.

Neben dem Werk des Künstlerpaars Meidner umfasst das Ludwig Meidner Archiv auch die künstlerischen Nachlässe verschiedener anderer Künstlerinnen und Künstler, die gezwungen waren, vor der nationalsozialistischen Entrechtung und Verfolgung von Jüdinnen und Juden zu fliehen. Für viele von ihnen bedeutete das Exil einen dramatischen Karrierebruch, denn sie verloren abrupt die Netzwerke, die sie sich zuvor aufgebaut hatten. Nur wenigen Künstlerinnen und Künstlern gelang ein Neuanfang in der Fremde, viele von ihnen gerieten im Nachkriegsdeutschland in Vergessenheit. Mit seiner Sammlungs- und Ausstellungstätigkeit von jüdischen Künstlerinnen und Künstlern der so genannten verlorenen Generation möchte das Jüdische Museum dem entgegenwirken.

Pressekontakt

Kurzbiografie Else Meidner

02. September 1901: Else Meidner kommt in Berlin als Tochter des Arztes Dr. Heinrich Meyer und seiner Frau Margarete geb. Fürst zur Welt.

1918: Zeichenunterricht bei Prof. Adolf Meyer, Berlin

1918 - 1925: Studium an der Kunstgewerbeschule, der Kunstakademie und dem Studienatelier für Malerei und Plastik Lewin-Funke in Berlin, Zeichenunterricht bei Ludwig Meidner

1927: Heirat mit Ludwig Meidner

1928 wird ihre Porträtradierung des Schriftstellers Alfred Döblin bei einem Grafikwettbewerb der „Schaffenden“ ausgezeichnet.

1929: Geburt des Sohnes David

1932 Einzelausstellung bei den Juryfreien in Berlin, 1935 Teilnahme an der Frühjahrsausstellung jüdischer Künstler im Jüdischen Museum Berlin; Übersiedlung nach Köln
August 1939: Emigration nach London

1949 gemeinsam mit Ludwig Meidner Ausstellung in der Ben Uri Art Gallery in London, 1955 mit Georg Jakob Best Ausstellung im Frankfurter Kunstkabinett Hanna Bekker vom Rath, 1956 Einzelausstellung in der Matthiesen Gallery in London, 1959 Einzelausstellung in der Beaux Arts Gallery in London, 1964 Retrospektive in der Ben Ury Gallery, 1966 Teilnahme an der Neujahrsausstellung der Leicester Gallery in London, 1969 Einzelausstellungen in Darmstadt und Hofheim am Taunus sowie 1972 Einzelausstellung in der Ben Uri Gallery.

Am 7. Mai 1987 stirbt Else Meidner in London.

Pressematerial zum Download

  •  Else Meidner, Selbstporträt mit aufgestütztem Kinn, um 1925 © Ludwig Meidner-Archiv, Jüdisches Museum Frankfurt, Foto: Herbert Fischer  (Download JPG)
  •  Else Meidner, Selbstbildnis mit Dämonen, 1927–1930 © Ludwig Meidner-Archiv, Jüdisches Museum Frankfurt, Foto: Herbert Fischer (Download JPG)