Tanzveranstaltung auf der Erinnerungsstätte Großmarkthalle. F.A.Z.-Foto / Maximilian von Lachner

"Schamloser Totentanz"?

Zur Diskussion über Tanzveranstaltungen auf der Erinnerungsstätte Frankfurter Großmarkthalle
Porträt von Korbinian Böck
18. August 2021Korbinian Böck

Seit vergangenem Jahr finden auf einer Freifläche an der Erinnerungsstätte Großmarkthalle öffentliche Latindance-Veranstaltungen statt. Dies führte wiederholt zu Beschwerden und Diskussionen um die Frage, ob Tanzen an diesem Ort angemessen sei. Auch die FAZ berichtete unlängst. Wir haben unser digitales Publikum dazu befragt und legen in diesem Beitrag auch unsere eigene Haltung zu der Frage dar.

Wer schon einmal an der Europäischen Zentralbank (EZB) vorbeigekommen ist, ist vermutlich schon einmal sprichwörtlich darüber gestolpert: in den Boden eingelassene Zitate, die von nationalsozialistischen Verbrechen der Jahre 1941-45 berichten. Sie sind Teil der Erinnerungsstätte Großmarkthalle, die an die Deportationen von Jüdinnen und Juden aus Frankfurt während des Zweiten Weltkriegs erinnern. Für diese Deportationen nutzte die Gestapo den Keller der Großmarkthalle, die unmittelbar an den Schienenverkehr angebunden war. Von hier aus wurden zwischen 1941 bis 1945 in zehn großen Deportationen rund 10.000 Menschen mit Zügen der Reichsbahn in die Gettos, Konzentrations- und Vernichtungslager verschleppt.

Ein zurückhaltender Erinnerungsort

Blick auf ein Zitat auf der Erinnerungsstätte an der Großmarkthalle Frankfurt; Foto: Norbert Miguletz
Blick auf eines der in den Boden eingelassenen Zitate auf dem öffentlichen Teil der Erinnerungsstätte an der Großmarkthalle Frankfurt. Foto: Norbert Miguletz © Jüdisches Museum Frankfurt

Die Erinnerungsstätte wurde nach einem internationalen Wettbewerb vom Architekturbüro KatzKaiser gestaltet und 2015 der Öffentlichkeit übergeben. Sie umfasst einen öffentlichen und einen nicht-öffentlichen Teil. Letzterer befindet sich auf dem Gelände der EZB und kann ausschließlich im Rahmen von Führungen besucht werden, die wir als Museum organisieren; ersterer ist Bestandteil des öffentlichen Stadtraums und besteht aus dem Philipp-Holzmann-Weg und dem Edith-Erbrich-Steg, unter dem die Todeszüge standen, mit denen Männer, Frauen und Kinder deportiert wurden.

Die Gestaltung in diesem öffentlichen Bereich ist äußerst zurückhaltend. Sie konzentriert sich auf die bereits erwähnten Zitate von Opfern und Beobachtern der Deportationen, eingelassen in den Boden und an Wandflächen. Auf unserer Website und im nachfolgenden Film erfahrt Ihr mehr darüber.

Tanzen auf den Bahngleisen in Richtung "Osten"

Am 7. August 2021 erschien in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung ein Artikel, der unter dem Titel „Tanzen im einstigen Vorhof des Todes“ auf die wöchentlichen Tanzveranstaltungen an diesem Ort aufmerksam machte. In einem Kommentar bezeichnete es FAZ-Journalistin Mechthild Harting als Zeichen schwach ausgeprägter Erinnerungskultur in der Frankfurter Bevölkerung, dass hier getanzt wird. Sie verband das mit der Vermutung, dass vielen Tanzenden die Bedeutung des Ortes wohl gar nicht bewusst sei.

Tanzveranstaltung auf der Erinnerungsstätte Großmarkthalle. F.A.Z.-Foto / Maximilian von Lachner.
Tanzen vor der urbanen Kulisse der EZB - und auf Fragmenten der früheren Bahngleise, auf denen 10.000 Menschen in den Tod geschickt wurden. F.A.Z.-Foto / Maximilian von Lachner.

Aber mal ehrlich: Kann man diese Zitate wirklich übersehen, die hier am Boden wie auch an der Wand des benachbarten alten Bahn-Stellwerks angebracht sind und die von furchtbarem Grauen berichten?

Zu Wort kamen in der FAZ auch Heike Appel vom Grünflächenamt („Das sollte man nicht tun“) und Hermann Steib, der für das Ostend zuständige Ortsvorsteher. Er erhebt laut FAZ „schwere Einwände“, auch wenn es sich um öffentlichen Raum handelt. Eine juristische Handhabe gegen das Tanzen an diesem Ort gibt es laut Auskunft des Ordnungsamtes nicht.

Eine andere Sicht auf die Dinge äußert Tobias Anton, der die Veranstaltungen hier mitorganisiert. Sein Argument: im Freiflächenentwicklungsplan der Stadt sei mit Blick auf diese Fläche lediglich von einer “architektonisch-künstlerischen Anbindung“ der Gedenkstätte ans umliegende Gelände einschließlich Hafenpark die Rede. Er vermute, dass „man“ (wer damit gemeint ist, bleibt unklar) unter dem Vorwand der Erinnerung an die Zeit des Nationalsozialismus „gelebte Einwandererkultur“ zurückdrängen wolle.

Exkurs: Nutzungskonflikte um Mahnmale andernorts

Platz der alten Synagoge Freiburg
Blick auf den Platz der Alten Synagoge Freiburg mit dem Gedenkbrunnen, der die Form der 1938 zerstörten Synagoge abbildet. Foto: Andreas Schwarzkopf CC BY-SA 3.0

Derartige Konflikte um die Nutzung von Gedenkorten im öffentlichen Raum sind keineswegs neu. In Freiburg beispielsweise erinnert auf dem Platz der Alten Synagoge ein Gedenkbrunnen an das jüdische Gotteshaus, das hier einst stand und das im Novemberpogrom 1938 zerstört wurde. Der neu gestaltete Platz direkt neben der Universität bietet wenig Schatten und ist im Sommer entsprechend heiß. Wenig überraschend, dass sich hier viele Menschen in den Sommermonaten abkühlen und Kinder in dem Brunnen plantschen. Um dieser nicht erwünschten Nutzung vorzubeugen wurde das Denkmal „nachgerüstet“. Mehrere Stelen mit Piktogrammen zum angemessenen Verhalten sowie ein in den Boden eingelassenes Zonierungsband sollen die Menschen davon abhalten, den Brunnen zu betreten. Eine digitale Informationsstele und ein Synagogenmodell sollen folgen.

Auch das Verhalten vieler Menschen auf dem zentralen Holocaust-Mahnmal in Berlin gab und gibt immer wieder Anlass zu Empörung. Die steinernen Stelen werden vielfach als Sonnenbank, als Ort für Picknicke oder als Kulisse für instagrammige Selfies genutzt. Der Comedian und Satiriker Shahak Shapira machte mit seiner 2017 initiierten Aktion „Yolocaust“ – ein Kofferwort aus dem jugendsprachlichen „Yolo“ (you only live once) und Holocaust – auf diese Unsitte aufmerksam. Mit drastischen Mitteln: er kontrastierte einige Beispiele für auf dem Mahnmal aufgenommene Selfies fremder Personen mit Fotos aus den NS-Vernichtungslagern.

Rege digitale Diskussion

Da wir die konzeptionelle Entwicklung der Erinnerungsstätte mitbegleitet haben und die Geschichtsvermittlung vor Ort verantworten, erreichen auch uns immer wieder Beschwerden, wenn diese zweckentfremdet genutzt, mit Müll und Fäkalien beschmutzt oder mit Graffitis und antisemitischen Aufklebern verunstaltet wird. Dementsprechend verfolgen wir auch schon länger die zunehmende Nutzung der Fläche unter dem Edith Erbrich Steg für lateinamerikanische Tänze. Nun haben wir die jüngste Berichterstattung zum Anlass genommen, unsere digitalen Besucher*innen zu fragen, was sie von der Situation vor Ort halten.

Unsere Stories und Beiträge auf Twitter, Facebook und Instagram haben zu einer äußerst regen Diskussion geführt, die erfreulich differenziert und zivilisiert geführt wurde – keine Selbstverständlichkeit im Netz! Über 200 Kommentare und Nachrichten haben uns (Stand heute) zu dem Thema erreicht. Kurz zusammengefasst hält es eine große Mehrheit (rund 75 Prozent auf Instagram, etwa 80 Prozent auf Facebook) unserer digitalen Community für falsch, hier zu tanzen: „Respektlos“, „pietätlos“, „schrecklich“ war hier zu lesen. Der Offenbacher Journalist Anton Jakob Weinberger sprach auf Facebook von einem „schamlosen Totentanz“. Es gab aber auch viele ambivalente, weniger eindeutige Kommentare – und auch solche, die das Tanzen für gut und richtig halten, gerade wegen der düsteren Vergangenheit dieses Ortes.

Wir sind gespannt auf weitere Kommentare und Gedanken zu diesem Thema im untenstehenden Kommentarbereich. Die Kommentare müssen vor Veröffentlichung von uns freigegeben werden. 

Unsere Haltung als Museum

Blick auf die Erinnerungsstätte an der Großmarkthalle Frankfurt; Foto: Norbert Miguletz
Blick auf das Gleisfeld der Erinnerungsstätte an der Großmarkthalle Frankfurt. Foto: Norbert Miguletz © Jüdisches Museum Frankfurt

Die Haltung einer Mehrheit unserer digitalen Besucher*innen entspricht auch der unsrigen: Wir finden es unangemessen und pietätlos, dass hier Tanzveranstaltungen stattfinden.

Das Konzept der Erinnerungsstätte baut darauf, dass Passant*innen die Zitate im Vorbeigehen lesen und sich diese in ihrem Alltag zu Herzen nehmen; die schriftlichen Zeugnisse des Verbrechens stehen zugleich in einem visuellen Zusammenhang mit der Gestaltung des gesamten öffentlichen Erinnerungsraums etwa mit dem sog. Rampenbauwerk, das in den Keller unter der Großmarkthalle auf dem Gelände führt und vom Philipp-Holzmann-Weg durch eine Glasscheibe angesehen werden kann, oder den im Boden eingelassenen Schienenstücken unter dem Edith-Erbrich-Steg, auf denen nun getanzt wird. Wir verstehen diesen öffentlichen Teil der Erinnerungsstätte als einen Ort der Auseinandersetzung mit Geschichte. Wir stehen dafür ein, dass diese Auseinandersetzung im öffentlichen Raum weiter fortgeführt wird.

Gleichzeitig verstehen wir – zumal während der Corona-Pandemie – das Bedürfnis vieler Menschen nach städtischen Freiräumen sowie konsumfreien Orten und stehen transkulturellen und zivilgesellschaftlichen Formen der (tänzerischen) Selbstentfaltung grundsätzlich offen gegenüber. Von öffentlichen Räumen – zumal solchen, wo sich keine Lärmbelästigungen für Anwohner*innen ergeben –, an denen solche Artikulationen möglich sind, gibt es im dicht bewohnten Frankfurt leider viel zu wenige. Davon zeugen etwa Initiativen seitens der subkulturellen Szene, die die Ausweisung entsprechender Flächen seitens der Stadt fordern – bislang noch mit überschaubarem Erfolg. Was also tun?

Unser Vorschlag

Da wir nicht wissen, ob  allen Tanzenden bewusst ist, an welchem Ort sie derzeit ihr Tanzbein schwingen, werden wir noch einmal auf alle Beteiligten zugehen und ihnen anbieten, im Rahmen einer Führung und eines Gesprächs die Geschichte und Bedeutung dieses Ortes zu erläutern. Gerne könnt Ihr, falls Ihr Euch angesprochen fühlt, auch direkt Kontakt mit uns aufnehmen.

Korbinian Böck

Schlagwortsammlung

Kommentare

Sehr geehrter Herr Böck, vielen Dank, dass Sie mich in Ihrem Beitrag erwähnen. Ich möchte hierzu folgendes ergänzen bzw. richtigstellen: 1. Selbstverständlich liegt es uns fern das Gedenken zu stören oder gar zu behindern. Wir achten daher bereits auf einen angemessenen zeitlichen Abstand zwischen den vom jüdischen Museum angebotenen Führungen und unseren Tanzveranstaltungen. Unsere Tanzparties finden vorwiegend Abends bzw. Nachts statt, wenn die Inschriften ohnehin nicht bemerkt werden. Auch dulden wir in unseren Reihen kein rechtsradikales Gedankengut. Wir lehnen Gewalt in jeder Form ab. Die Alternative zu einem Platz, der nachts von glücklichen Menschen bevölkert wird, ist ein leerer Platz mit Friedhofsatmosphäre. Wir glauben, dass ein leerer Platz mit Friedhofsatmosphäre dem Gedenken an die ermordeten Juden nicht zuträglich ist. 2. Wir glauben, dass der Platz gezielt so konzipiert wurde, dass er Menschen zum Verweilen einlädt. Die Gegebenheiten der Örtlichkeit suggerieren in keinster Weise, dass z.B. das Befahren mit Scootern oder Rollerblades, oder die Durchführung von Box- Fitness- oder Yogakursen, oder Auftritte von Straßenkünstlern oder spontane Kundgebungen in irgendeiner Form als unangebracht empfunden werden könnten. Dementsprechend findet das alles auch ganz ohne unser Zutun dort bereits statt. Wir halten unsere Art der Freizeitgestaltung für nicht weniger andächtig oder pietätloser als die anderen genannten, dort stattfindenden Aktivitäten. Allerdings locken wir deutlich mehr Besucher an als jede andere Sport- Kunst- oder Freizeitgruppe. Nach unserer Überzeugung kann ein starker Zulauf auf dem Platz dem Gedenken nur förderlich sein, da jeder, der zum Tanzen dorthin kommt, früher oder später über die Schienen stolpern wird. Somit wird er zwangsläufig auf die Installationen aufmerksam. In der Regel entstehen daraus Gespräche, die für den jeweiligen Besucher stets ein historisches Bildungsmoment in sich tragen. 3. Inhaltlich ist Ihr Artikel in einem Punkt nicht schlüssig: Es bleibt unklar, inwiefern ich eine "andere Sicht auf die Dinge” äußere als das Ordnungsamt. Tatsächlich stimmt meine Sicht der Dinge exakt mit der des Ordnungsamts überein. Diskussionen gab es nur vorübergehend, als Ordnungsbeamte uns trotz fehlender rechtlicher Handhabe wiederholt Sanktionen angedroht hatten. Kaum waren wir an einen anderen Ort ausgewichen, kamen dort ebenfalls wieder Beamte auf uns zu und untersagten uns das Aufstellen von Lautsprechern dort aus ganz anderen Gründen. Offensichtlich wurden überwiegend die ausländischen DJs ins Visier genommen, während deutschsprachige Veranstalter zumeist unbehelligt blieben. Dadurch entstand bei bei uns der Eindruck, dass wir hier mit polizeilicher Willkür, und möglicherweise auch mit einer ausländerfeindlichen Gesinnung konfrontiert waren. Mit der Klarstellung durch das Ordnungamt ist diese Vermutung natürlich hinfällig. Seit wenigen Wochen bleiben die Tänzer im Hafenpark auch weitestgehend unbehelligt. Diese Entwicklung finden wir begrüßenswert. 4. Die vom jüdischen Museum vertretene Meinung, dass die Veranstaltungen überwiegend kritisch gesehen werden, teilen wir nicht. Uns liegt ein Umfrageergebnis der FAZ vor, demzufolge sich 50% der - Stand 18.08.2021 - dort abgegebenen 172 Stimmen sich *für* die Tanzveranstaltungen an der EZB aussprechen; nur 40% stehen ihnen ablehnend gegenüber; die restlichen 10% sind unentschieden. Dort gibt es also eine absolute Mehrheit der Befürworter. Es in der Natur von social media, dass negative Gefühlsäußerungen im Vergleich zur direkten Ansprache überproportional vertreten sind. Durch ein geeignetes Framing in der Fragestellung kann dieser Effekt noch verstärkt werden. Wir glauben, dass sich die Unterschiede in den Umfrageergebnissen teilweise auch durch die Vorauswahl Ihrer Umfrageteilnehmer erklären lassen; von Ihnen wurden ausschließlich Follower des jüdischen Museums auf Twitter/Facebook/Instagram befragt. Mit freundlichen Grüßen Tobias Anton

19.08.2021 • Tobias Anton

Lieber Herr Anton, so wie Sie liebe ich lateinamerikanische Musik, insbesondere die Salsa. 2019 hatte ich Gelegen-heit, in der „Welthauptstadt der Salsa“ Cali, Kolumbien, an der „Feria de Cali“ und ihrem „Sal-sodromo“ teilzunehmen und war mehr als begeistert. Von daher kann ich die Beliebtheit Ihrer Veranstaltungen und Ihr Engagement dafür absolut nachvollziehen. Die Kultur, die Sie dadurch schaffen, ist ein echter Gewinn für Frankfurt. Jedoch schlägt noch ein zweites Herz in meiner Brust. In den 1990er und 2000er-Jahren lebte und arbeitete ich mit 10 Überlebenden verschiedener Konzentrationslager zusammen. Darunter zum Beispiel Max Liebster, der aufgrund seiner jüdischen Abstammung im KZ Auschwitz um sein Überleben kämpfen musste und durch die Massenmorde der Nazis einen Großteil seiner Familie verlor. Und auch mit Hein Dickmann, der bei der Exekution seines Bruders August im KZ Sachsenhausen dabei sein musste. Solange diese Überlebenden noch lebten, habe ich ihnen viele Stunden lang zugehört, wenn sie von ihren traumatischen Erlebnissen erzählten. Die meis-ten von ihnen brachten es jahrzehntelang nicht fertig, darüber zu sprechen. Als die Shoa Foundation in den 1990ern anklopfte und sie davon überzeugte, dass die beinahe unglaubli-chen Geschehnisse nicht vergessen werden dürfen, konnten sich manche von ihnen wieder öff-nen und begannen mit dem aktiven Erinnern und Reden. Ich habe mit diesen Überlebenden dann Englisch geübt, damit sie ihre Geschichte auch im Ausland erzählen konnten. Generell waren sie Menschen mit Lebensfreude, Stärke und Humor. Aber wann immer es um die Massenmorde und Verfolgung der NS-Zeit ging, legte sich eine Atmosphäre der Würde, des Schmerzes und der Ruhe über das Gespräch. Sie schrieben in Ihrem Kommentar: „Selbstverständlich liegt es uns fern das Gedenken zu stören oder gar zu behindern.“ Mein Gedenken wird definitiv durch freudigen Tanz, durch Parties auf einer Gedenkstätte massiv gestört, sogar zerstört. Eine Gedenkstätte, die an Massendeportationen und -morde erinnert, wie die an der EZB ist, ist „sakrosankt“. Nur wenn sie ausschließlich dem einen Zweck des Gedenkens dient, kann sie ihre Aufgabe erfüllen. „Wir glauben, dass ein leerer Platz mit Friedhofsatmosphäre dem Gedenken an die ermordeten Juden nicht zuträglich ist.“ Ein Platz, auf dem an die Todesfahrten von rund 10.000 Menschen gedacht werden soll, benötigt eine „Friedhofsatmosphäre“. Auch für ernste, traurige Empfindungen muss es einen ungestörten Raum geben. Aus Respekt vor den Empfindungen gedenkender Menschen, auch wenn sie nicht die „absolute Mehrheit“ darstellen, ist das symbolische Tanzen auf den Gräbern von Opfern eines Massenmordes für mich und viele andere unerträglich und schockierend. So sehr ich mich von der schönen Musik, den schönen Menschen und dem eleganten Tanz angezogen fühle, so sehr fühle ich mich abgestoßen von der Störung der Würde einer Gedenkstätte. Ich wäre Ihnen von Herzen dankbar, wenn Sie Ihre Veranstaltungsreihe fortführen, aber unbedingt an einem anderen Ort.

19.08.2021 • Sascha Mahl

Ich finde Tanzen etc. an dieser Stelle für absolut unangemessen. Es ist im Grunde das Gleiche, wie wenn man z.B. in Auschwitz "die Tradition des Lagerorchesters" am Platz vor den Gaskammern wiederbeleben wollte. In meinen Augen respekt- und pietätlos !

19.08.2021 • Wolfgang Baacke

Ist es so schwer, RESPEKT UND MITGEFÜHL ZU EMPFINDEN ? ES GIBT ANDERE ORTE. Mit ähnlichen Argumenten könnte man " lebenslustige" Verhaltensweisen auf dem Shoah - Denkmal in Berlin begründen,und,warum nicht,in der Nähe von Konzentrations-und Vernichtungslagern, Argumente gäbe es immer. HIER ist das Land der TÄTER.

19.08.2021 • Annette Krisper-Beslic

Lieber Herr Anton, vielen Dank für Ihren ausführlichen Kommentar. Wir hatten gehofft, über diesen Beitrag eine Diskussion anstoßen zu können – und das scheint uns gelungen zu sein. Zu Ihrem 1. Punkt: Unsere Bedenken beziehen sich nicht darauf, dass Tanzveranstaltungen zeitlich mit Führungen über die Erinnerungsstätte zusammenfallen könnten. Zumal Menschen die Erinnerungsstätte auch unabhängig der von uns angebotenen Führungen besuchen. Unsere Bedenken beziehen sich auf den Ort als solches, der aufgrund seiner Geschichte aus unserer Sicht nicht als "Vergnügungsstätte" genutzt werden sollte. // Zu Ihrem 2. Punkt: Ob Tanzveranstaltungen an diesem Ort wirklich förderlich für das Gedenken sind, wie sie schreiben, mag für manche Teilnehmer*innen ihrer Partys stimmen. Viele Menschen sind aber davon irritiert – mich und viele Kolleg*innen im Jüdischen Museum eingeschlossen. // Zu Punkt 3: Unsere Formulierung bezog sich darauf, dass seitens des Ortsvorstehers schwere Einwände gegen das Tanzen an diesem Ort erhoben werden. Diese teilen Sie offenbar nicht, daher die Formulierung von Ihrer anderen Sicht der Dinge. // Zu Punkt 4: Wo, mit wem und wie diese Umfrage der FAZ durchgeführt wurde, wissen wir nicht. Mag sein, dass das Ergebnis außerhalb unserer Museums-"Bubble" anders ausfallen würde. Gleichwohl haben wir den Eindruck, dass sehr viele wenn nicht die Mehrheit der Menschen das alles sehr kritisch sehen. // Gerne wiederholen wir unser Angebot, vor Ort miteinander ins Gespräch zu kommen. Vielleicht haben Sie auch Interesse an einer Führung über die Erinnerungsstätte, die wir gerne für Sie und Ihre Gruppe machen.

19.08.2021 • Korbinian Böck, Onlineredaktion JMF

"FAZ-Journalistin Mechthild Harting als Zeichen schwach ausgeprägter Erinnerungskultur in der Frankfurter Bevölkerung, dass hier getanzt wird." Zitat aus: www.hessenschau.de/kultur/frankfurt-salsa-tanz-an-juedischer-gedenkstaette-sorgt-fuer-aerger,salsa-gedenkstaette-100.html "Sie kämen aus Kassel, aus Darmstadt, sogar aus Bonn und Stuttgart, verrät einer der Tänzer stolz. Seinen Namen will er aber lieber nicht sagen." Dies von wegen "Frankfurter Bevölkerung"!!!!!! aber es ist immer wieder das Gleiche! So zum Thema, die Gedenkstätte ist nicht für jeden zugänglich und nur via gebuchter Rundgänge zu erreichen! Die nicht "offizielle" Erweiterung welche zum Nachdenken anregen soll, liegt ausserhalb auf öffentlichen Grund und somit für jeden Weltenbürger benutzbar. (siehe auch Kommentar des Ordnungsamtes). Ich als Inhaber dieses öffentlichen Raumes befürworte strikt die Benutzung dies als solchen (auch zum tanzen und sich des Lebens erfreuen) und im besonderen auch als Aufforderung zum Nachdenken. Aber wie soll das geschehen, wenn schnellstens darüber weggefahren, gelaufen wird - mit Handy am Ohr, im Gesicht, achtlos durch die Gegend! Wo gesungen und getanzt wird, da lass dich nieder - das gilt auf der ganzen Welt (leider nicht mehr - wie wir alle in nächster Zukunft z.B. in Afghanistan erleben werden)! Das auf diesem kleinen versiegeltem Platz die Aufmerksamkeit wohl um einiges höher ist und wohl auch nicht nur Frankfurter Publikum zugegen sind, wird es wohl auch die Runde machen. Ich sehe dies in keinster Weise als Zweckentfremdung an und schon gar nicht als Ignoranz dessen was es bezwecken soll - erinnern! Wir könnten die ganze Welt zu plastern mit Erinnerungssteine, Plätze, Gedenkmonumente etc. all der Untaten die seit Menschenbeginn gemacht wurden. Wenn aus den Untaten nichts gelernt wird, so habe ich wenig Hoffnung, dass dies durch Schienen im Boden geschieht. - Ich denke reden hilft aber leider lehrt uns die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft was anderes. Mit freundlichen Grüßen Shalom Peter

19.08.2021 • Peter

Dear Madam and Sirs, One week ago, I wrote in response to your post on August 10, 2021: I think it also a sign of the repressed historical and social significance of Salsa dancing and the people who authored and made this movement global. What for some people is sexy, exhilarating social dancing is also an act of resistance and liberation for Afro-Indigenous and socially and economically marginalized populations in the Americas and their Diaspora. A memorial for mass deportations taking place during the 3rd Reich reminds us of the human cruelty of discrimination, both past, present and ongoing in our society. Such commentary and criticism such as the articles in @faz should take care to form dialogue and cultural bridging with the organizers of the Salsa dancing events and not trivialize their practice. Perhaps street dance and other forms of collective cultural expression could be given space as suggested in @mechthildharting ‘s article. And dance could also gather residents and hold space for collective grieving and remembering those many lives we have unjustly lost and continue to lose. In response to the way you have conducted and structured your argumentation in the blog post above, I am both shocked and disturbed. You seem to miss an important point Anton Tobias is making, and I suspect that your public call-out is even endangering the racialized people who organize and attend the events. It seems that you lack a sensitivity and awareness of how the police in Germany TODAY treat racialized bodies. I understand that you may feel frustrated by what you believe in inappropriate behavior, and desire to start a dialogue, and for this I thank you, but I am writing today to tell you that you are missing the mark and perhaps causing more harm than good. If there was another viable option for the dancers to go to, in good faith, I imagine they would do so. Please consider: How much harm are the dancers causing by their event? vs. How much harm could calling the police cause members of their community? I hope that your team may find a way to approach this situation differently. As one of the comments said, perhaps "...the design is bad, not the people." ? And yet, if you have the space redesigned just to stop dancing from happening in a designated public, cultural space, or continue to rally public outcry to further demonize the dance event "shameloser totentanz" ?!!!! really?!!! to protest a Salsa dance event in a Holocaust Memorial, is that what's happening there??? Is this how you want to call people in, or you just calling people out? What kind of violence is being rallied or enacted by the Jüdisches Museum Frankfurt? In good faith, Amelia Uzategui Bonilla

20.08.2021 • Amelia Uzategui Bonilla

Hi Amelia, and once more, like on Instagram: I thank you from the bottom of my heart ♥

21.08.2021 • Erika Lisowsky

trotzdem Inszenieren sich jetzt die Tänzer als Opfer. Lateinamerikanische Musik und Texte wären ja ohnehin Protestsongs. Gegen was eigentlich? Die Kombination ist einfach menschenverachtend und lebensgefährlich: Im Februar Lockdown grosse Partys feiern, mit Neuinfektionen, jetzt keine 3-G Regeln umsetzen, die Geschichte der Frankfurter Juden verhöhnen. Und noch dumm und arrogant von der Stadt eine Ersatzfläche fordern für Corona-Partys im Herbst. Weil die Clubs so teuer sin usw. Die Stadtpolizei würde ja nur so streng und nervig kontrollieren weil so viele Migranten die Partys besuchen. Was wieder eine Falschbehauptung und dumme Ausrede ist. Wieder werden hier die Opfer des Fremdenhasses verhöhnt, den ja die Gedenkstätte anklagt. Zumal man inzwischen wieder legal in Tanzschulen tanzen kann mit 3-G Regeln Zitat: ' Die Deutschen werden den Juden nie verzeihen was sie Ihnen angetan haben'.

23.08.2021 • Erwin Geier

Es war sicher ein Fehler dort zu tanzen. Aber die FAZ, die darüber berichtete macht auch Fehler, oder war es pure Absicht Herrn Gauland zu der 70 Jahr Feier der FAZ einzuladen? https://taz.de/Gauland-bei-FAZ-Feier/!5635404/ Ich war auch in Frankfurt und habe getanzt. Ich habe auch die Inschrift auf dem Boden gelesen. Es hat mich sehr berührt. Tanzen ist besser als Leute ermorden und Krieg zu führen. Die Leute die getanzt haben wollten das Denkmal nicht entehren. Aber wer lädt Herrn Gauland ein???

24.08.2021 • Jürgen Stahl

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