Seit 1348 wütete in vielen Teilen Europas die Pest. Vielerorts kam es zu Pogromen gegen die Juden, denen die Schuld für die Seuche gegeben wurde. Stichwort: Brunnenvergiftung. Heute vor 675 Jahren, am 24. Juli 1349, traf es die jüdische Gemeinde Frankfurts – und das mit Billigung der Stadt und des Königs.
Über 400 jüdische Gemeinden fielen im Reich den Verfolgungen zum Opfer. Dabei fanden die Pogrome in vielen Städten lange vor dem Auftreten der Pest statt. So auch in Frankfurt, wo die Seuche erst im Herbst 1349 ausbrach. Der wahre Grund für die Gewalt waren oftmals nicht die erfundenen Anschuldigungen wegen angeblicher Brunnenvergiftungen, sondern politische Konflikte, in denen die Juden zu Spielbällen wurden. Einer dieser Konflikte war der Thronstreit zwischen Ludwig dem Bayern und Karl IV., der am 17. Juni 1349 erneut in Frankfurt zum König gewählt worden war.
Die Juden als Spielball politischer Konflikte
Ob dieser Konflikt auch die Ereignisse in Frankfurt bestimmte, wissen wir leider nicht genau. Was wir aber wissen: Einen Monat vor dem Pogrom hatte König Karl IV. die Frankfurter Juden für 15.200 Pfund Heller an die Stadt verpfändet. Wie das möglich war? Seit ihrer ersten Erwähnung Mitte des 12. Jahrhunderts unterstanden die Frankfurter Juden unmittelbar dem König. Bei Finanznöten konnte er die Herrschaftsrechte über die Juden, das „Judenregal“, jederzeit verpfänden oder verkaufen. So auch 1349. Damit unterstanden sie nun nicht mehr königlichem Schutz. Schlimmer noch: In einem Passus der Verpfändungsurkunde war davon die Rede, dass der König die Stadt nicht dafür zur Verantwortung ziehen werde, falls die Juden „von Todes wegen abgingen oder verdürben oder erschlagen würden“. Das Eigentum getöteter Juden solle an die Stadt fallen. Mancher Schuldner jüdischer Geldverleiher mag auch ganz persönliche Motive gehabt haben.
Einen Monat nach Unterzeichnung dieser Urkunde und zwei Wochen nach Abreise Karls IV. aus Frankfurt wurden alle Juden in der Stadt erschlagen oder in ihren Häusern verbrannt. Genaue Opferzahlen sind uns nicht bekannt, wir gehen aber von über 200 Ermordeten aus. Neuere Forschungen weisen klar darauf hin, dass dieses Massaker nicht spontan geschah, sondern von langer Hand geplant war.
Die Jüdische Gemeinde Frankfurts war 1241 schon einmal vernichtet worden. Und der Pogrom 1349, auch bekannt als zweite "Frankfurter Judenschlacht", sollte nicht der letzte bleiben. Ab 1360 siedelten sich wieder Juden in Frankfurt an. Es folgten die zeitweilige Vertreibung der Frankfurter Juden im Fettmilch-Aufstand 1614 und die Vernichtung jüdischen Lebens im Nationalsozialismus.
Steinerne Zeugnisse des Pogroms von 1349
1952 wurden bei Aufräumarbeiten im bombengeschädigten Bartholomäus-Dom Frankfurt jüdische Grabsteine entdeckt. 2007/08 entdeckten Archäologen bei Ausgrabungen in Bommersheim (Oberursel) zahlreiche beschriftete Fragmente jüdischer Grabsteine. Höchstwahrscheinlich stammen sie in beiden Fällen vom hiesigen jüdischen Friedhof in der Battonnstraße. Wie aber kamen die Steine dorthin?
Die Geschichte des Alten Jüdischen Friedhofs reicht bis ins 13. Jahrhundert zurück. Damals wurde außerhalb der Frankfurter Stadtmauern ein jüdischer Begräbnisplatz eingerichtet. Auch die anderen jüdischen Gemeinden der Gegend bestatteten hier ihre Toten. Dann kam die große Pestepidemie 1348/49 und die sogenannte zweite „Frankfurter Judenschlacht“. Der Friedhof war bereits seit 1316 an einen Frankfurter Kaufmann verpfändet, an den die jüdische Gemeinde einen Zins zu entrichten hatten. Dessen Nachfahren verkauften nach dem Pogrom und der Ermordung der Frankfurter Juden zahlreiche Grabsteine von diesem Friedhof als Baumaterial. Ein Teil der Steine ging offenbar nach Bommersheim, wo zu dieser Zeit eine heute nicht mehr existierende Burganlage gebaut wurde. Weitere Steine verbaute man im Frankfurter Dom. Hier wurden sie nach dem Zweiten Weltkrieg in einem Seitenaltar, dem Annenaltar im nördlichen Querschiff, entdeckt – vollständig erhalten mitsamt Inschriften. Mindestens ein weiterer Grabstein ist noch im Gewölbe über diesem Altar verbaut, kann aber aus statischen Gründen nicht herausgenommen werden.
Heute könnt Ihr die beiden erhaltenen Grabsteine aus dem Dom auf dem Friedhof sehen. Der Audioguide aus dem benachbarten Museum Judengasse erzählt Euch mehr darüber.
Noch keine Kommentare. Diskutieren Sie mit.
Ihr Kommentar