2020 wollen wir unsere Online-Sammlung launchen. Bis dahin ist allerdings noch einiges zu tun. Über den aktuellen Stand, unsere Pläne und Ansätze berichten unsere Kollegin Sonja Thäder, zuständig für wissenschaftliche Museumsdokumentation, und unsere Direktorin Mirjam Wenzel.
Der Aufbau einer Online-Sammlung ist ein zentraler Baustein unserer Digitalen Strategie. Keine andere Anwendung veranschaulicht den Begriff "Digitales Museum" so sehr wie eine Webseite, auf der die Sammlung eines Museums digital eingesehen werden kann. Das digitale Jüdische Museum baut also weniger auf digitale Kamerafahrten durch Museumsräume, als vielmehr auf einen Zugang zu digitalisierten Sammlungsobjekten für Forscher*innen und Wissbegierige aus aller Welt. Anstatt langer Terminabsprachen mit unseren Kolleg*innen sowie zeit- und kostenintensiver Anfahrten wollen wir Euch und Ihnen, also unseren bereits bekannten wie auch unseren zukünftigen Online-Besucher*innen, künftig einen permanenten und eigenständigen Zugang zu den Grundinformationen und diverse Ergänzungen zu den Objekten in unserer Sammlung ermöglichen – und zwar so uneingeschränkt wie nur möglich. Was aber heißt das?
Frei oder Nichtfrei – das ist hier die Frage!
Miteinander verknüpfte offene Daten oder Open Linked Data sind das Stichwort der Stunde. Hinter diesem Stichwort verbirgt sich der Gedanke, digitalisierte Kulturgüter – Abbildungen und Informationen – online so zugänglich zu machen, dass sie nachgenutzt und mit anderen Digitalisaten in Verbindung gebracht werden können. Die großen, internationalen Portale wie etwa die Deutsche Digitale Bibliothek, Europeana oder auch Wikidata fungieren dabei als sparten- und häuserübergreifende Speicher für die Daten von Gedächtnisorganisationen, die miteinander verknüpft und in größere Zusammenhänge gestellt werden. Ob Nutzer*innen diese Daten nun für Forschung oder kreative Projekte verwenden, ist dabei völlig gleich.
Völlig gleich? So einfach ist das in den meisten Fällen natürlich nicht. Urheber-, Leistungsschutz- und Persönlichkeitsrecht regeln, wie lang wer über die Verwendung seiner Schöpfungen (Kunst, Literatur) oder Fotos bestimmen kann. Museen und Archive müssen also genau wissen: Bei welchen Objekten oder Dokumenten sind diese Rechte abgelaufen oder übertragen worden? Bei welchen Objekten gehören ihnen die Rechte selbst und wo nicht? Welche Verträge haben sie mit den Fotograf*innen abgeschlossen? Und last but not least: An wen können und müssen sie sich wenden, wenn das alles, wie so häufig, nicht ganz klar ist.
Offene Kulturdaten für eine offene Gesellschaft
Die Frage, unter welcher Lizenz ein Museum seine Sammlungsobjekte online zugänglich macht, hängt nicht nur mit den Rechten zusammen, die es an den Objekten seiner Sammlung hat. Es geht auch um die Frage, welches Verhältnis das Haus mit seinen Online-Besucher*innen eingehen möchte. Das Jüdische Museum Frankfurt hat im Rahmen seines Erneuerungsprozesses ein Mission Statement erarbeitet und sich auf das Leitbild eines "Museum ohne Mauern" geeinigt. Das gilt auch und besonders im digitalen Raum. Je offener die Lizenz, desto freier sind die Nutzer*innen in der Nachnutzung der bereitgestellten Daten. Je standardisierter die verwendete Norm, desto verständlicher das Signal. Wir haben uns entschieden, einen großen Teil unserer Sammlung zukünftig unter CC-BY-SA-Lizenz zu veröffentlichen.
Nachdem wir uns zu Anfang selbst in die thematischen Tiefen der offenen Lizensierung gewagt und erste Begriffe gelernt hatten, stellten wir schnell fest, dass wir an vielen Stellen professionelle Beratung benötigen. Für ein besseres Verständnis im Umgang mit CC-Lizenzen und Nutzungsrechten luden wir daher Expert*innen von Wikimedia und iRights ein, namentlich Barbara Fischer (heute DNB) und Paul Klimpel, den Kopf hinter der Konferenz Zugang Gestalten! Was wir dabei lernten sind Fragen, die wir bei unklaren Sachverhalten an Sammlungskonvolute und Einzelfälle richten können, um Entscheidungen in Sachen Lizensierung zu treffen. In manchen Fällen sind wir dabei zu der Überzeugung gelangt, dass eine Nachnutzung unangebracht ist. Das gilt insbesondere für historisch und sozial sensible Sammlungsobjekte, wie etwa persönlichen Dokumenten jüdischer Überlebender oder Emigrant*innen. Hier empfinden wir es als unsere Verantwortung, sie auch im digitalen Raum zu schützen, für zukünftige Generationen zu bewahren und ihre Vermittlung in angemessene Bahnen zu lenken.
Ein langer Weg: Datenbanken, Datenclearing, Thesaurus
Derzeit stecken wir mitten im Aufbau unserer Online-Sammlung. Dabei spielt das Verschwinden der Demarkationslinien zwischen realem und digitalem Raum in der konzeptionellen Museumsarbeit eine grundlegende Rolle.
Das Aufstellen und Bereitstellen digitaler und analoger Angebote ist in unserem Museum Teamarbeit. Unsere Sammlungskurator*innen haben zusammen mit der Projektleitung definiert, was die zu exportierenden Bild- und Metadaten sind. Bislang diente die MuseumPlus-Datenbank allein der internen Dokumentation aller Sammlungsobjekte. Jede*r einzelne pflegte die Daten gemäß den eigenen Vorstellungen ein. Für den Online-Zugang müssen sie nun einheitlich strukturiert werden. Das Datenclearing, also die Vereinheitlichung der Objektddaten in der Datenbank, nimmt viel Zeit in Anspruch. Mindestens ebenso aufwendig gestaltet sich die Zusammenarbeit mit der Netzwerkadministration.
Vor kurzem haben wir unsere Daten in die Datenbank BeeCollectProfessional migriert. Nun müssen Anpassungen an den einzelnen Modulen vorgenommen und ein Thesaurus implementiert werden. Um ein normiertes Sprachvokabular zu verwenden, übernehmen wir den Thesaurus des Jüdischen Museums Berlin, der mit dem internationalen Normvokabular gemappt ist. Aber auch hier sind Anpassungen an unsere Sammlung erforderlich.
Für diese, wie auch für viele andere Entscheidungen, müssen immer wieder alle Verantwortlichen an einem Tisch zusammenkommen. Inmitten der projektorientierten Arbeit eines Museums sind die Terminkalender stets übervoll und zusätzliche Meetings eher unerwünscht. Langzeitprojekte wie der Online-Zugang zur Sammlung geraten dabei schnell auf den Standstreifen. Nichtsdestotrotz haben wir nun ein Ziel ins Auge gefasst: nach der Eröffnung unserer neuen Dauerausstellung im April 2020 wollen wir im Sommer kommenden Jahres einen Teil unserer Sammlung online zugänglich machen. Wenn das erste Dataset gelauncht ist, werden wir um viele Erkenntnisse und effiziente Arbeitsabläufe klüger sein.
Offene Landschaften – Ergebnis eines Mini-Hackathons
Dem Leitbild eines Museums ohne Mauern folgend, möchten wir unsere Sammlungsdaten zukünftig immer dann unter freien Lizenzen zur Verfügung stellen, wenn wir dies rechtlich und ethisch verantworten können. Wir freuen uns, wenn unsere Nutzer*innen diese dann kreativ verwenden. Erste Erfahrungen in dieser Hinsicht haben wir diesen Herbst auf der Buchmesse Frankfurt gesammelt. Für den Mini-Hackathon von Coding da Vinci stellten wir ein Konvolut zum Thema "Landschaft" aus dem Spätwerk des Künstlers Ludwig Meidner bereit, für welches wir die Copyrights besitzen. Die Programmierer und Gestalter Olivier Wagner und Falko Krause von shoutr labs entwickelten live vor Ort eine digitale Variante des bekannten "Memory"-Spiels: "Ludwig Meidners Erinnerungslandschaften". Wir wünschen viel Spaß beim Gedächtnistraining in unseren offenen Datenlandschaften!
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