Goldener Anhänger mit Davidstern

"…Jude zu sein im Jahre 2019"

Aktuelle jüdische Stimmen zum Rechtsextremismus in Deutschland
Porträt Sara Soussan
08. November 2019Sara Soussan

Der rechtsextremistische Mord an Walter Lübcke, der neonazistische Anschlag in Halle, rechte Aufmärsche und tägliche Angriffe auf vermeintlich Fremde: Was äußern jüdische Menschen in Deutschland öffentlich zur wachsenden rechtsradikalen Menschenfeindlichkeit? Unsere Kuratorin für jüdische Kulturen der Gegenwart, Sara Soussan, sammelt in diesem Beitrag laufend jüdische Stimmen.

"An Jom Kippur, an diesem friedlichen Feiertag … schießt jemand auf eine Synagoge, in der Menschen sich verbarrikadieren müssen." Die Moderatorin Bärbel Schäfer reagierte mit diesem Facebook-Video auf den Anschlag in Halle.

Scnreenshot aus der Facebookgruppe "Frag den Rabbiner".

"Sollte man – wenn sich antisemitische Übergriffe mehren –sich (in der Öffentlichkeit) als jüdisch zu erkennen geben?" So fragte ein Nutzer in der Facebook-Gruppe "Frag den Rabbiner".

"Der Antisemitismus ist längst wieder in der Mitte der Gesellschaft, nein, nicht 'angekommen', denn er war ja nie weg: Er ist einfach wieder hervorgekrochen aus seinen Löchern." So der Journalist, Autor und Dokumentarfilmer Richard Chaim Schneider in einem Kommentar zum Anschlag in Halle in der ZEIT.

"Leider helfen die Demos und Mahnwachen überhaupt nicht." Rabbiner Mendel Gurewitz von der Jüdischen Gemeinde Offenbach, kommentierte den Anschlag in Halle und die Reaktionen darauf in diesem Facebook-Video.

"Wir Erwachsene, wir haben gelernt mit Bedrohungen umzugehen. Aber es ist eine Tragödie, dass unsere Kinder mit solchen Ängsten aufwachsen müssen." Das sagte Marc Grünbaum, Vorstandsmitglied der Jüdischen Gemeinde Frankfurt, bei einer Gedenkveranstaltung für die Opfer des Anschlags in Halle am 13. Oktober in der Frankfurter Westendsynagoge. Die gesamte Rede finden Sie hier.

"In meinem Kopf spielt sich der gestrige Tag wie ein Film ab. Immer und immer wieder." So sagte Jeremy Borovitz, der am Tag des Anschlags in der Synagoge in Halle war, im Interview mit der ZEIT.

Tweet der Bloggerin und Autorin Juna Grossmann.
Tweet der Bloggerin und Autorin Juna Grossmann über den Umgang mit israelbezogenem Antisemitismus.

"Heute habe ich wirklich erlebt was es bedeutet, jüdisch zu sein, Jude zu sein im Jahre 2019." Roman Yossel Remis war am Tag des Anschlags in Halle Vorbeter im dortigen Jom Kippur Gottesdienst. In diesem Video schildert er seine Erlebnisse in der Synagoge.

"Wer ausgerechnet an Jom Kippur eine Synagoge angreift, will vermutlich genau das: Juden ihren heiligsten Tag mit Angst und Schmerz füllen, statt mit Frieden und Versöhnung. Und sie daran erinnern, dass sie nirgendwo sicher sind." SPIEGEL-Redakteurin Veronique Brüggemann über Ihr Empfinden angesichts des Anschlags in Halle am höchsten aller jüdischen Feiertage.

"An dieser Stelle zeigt sich einmal mehr diese deutscheste aller Weigerungen, anzuerkennen, dass es sich bei rechten Morden wie denen in Halle zwar um den Angriff eines einzelnen Mannes handeln mag, aber nicht um einen Einzeltäter." So der Lyriker und Essayist Max Collek in diesem SPIEGEL-Artikel.

Im Interview mit Radio Corax legt Max Czollek nochmal nach: "Das ist kein Alarmzeichen, das ist die Katastrophe."

"Halle war für mich keine Überraschung, aber trotzdem ein absoluter Schock." Die Jüdische Allgemeine versammelt in diesem Artikel junge jüdische Stimmen nach Halle.

"Ich war während des Anschlags auf Adrenalin. Ich konnte so klar denken wie noch nie in meinem Leben." Christina Feist war ebenfalls zum Anschlagszeitpunkt in der Synagoge in Halle. Hier berichtet sie über ihre Erlebnisse.

Tweet des Bloggers aund Autors Eliyah Havemann.
Tweet des Bloggers aund Autors Eliyah Havemann zu Antisemitismus auf Twitter.

"Ich kenne ein Deutschland ohne Judenhass nicht. Aber so erging es auch schon meiner Mutter, meinen Großeltern und Urgroßeltern." So schreibt die Autorin und Kolumnistin Linda Sabiers im SZ-Magazin.

"Wenn ein Neonazi versucht, an Jom Kippur in eine Synagoge einzudringen, um alle zu töten, die sich darin befinden, und wenn meine Lesung am Abend darauf unter Polizeischutz gestellt wird, dann geht es sehr wohl um mein Leben." So der Autor Thomas Meyer nach dem Anschlag in Halle in der Jüdischen Allgemeinen.

"Ich frage mich, ob Omas unwahrscheinlich langer Geduldsfaden – der seit 1945 hält – zu reißen droht."
Schreibt Naomi Bader, Enkelin von Schoa-Überlebenden, in ZEIT Campus.

"Sind wir hier noch sicher?", fragt Daniel Mosseri, der vor sieben Jahren aus Italien nach Deutschland kam, in der Jüdischen Allgemeine.

"Es gibt so gut wie kein Interesse an einer Jüdischen Sicht auf die aktuellen Probleme, denen wir ausgesetzt sind", meint die Schriftstellerin Mirna Funk in diesem Gastbeitrag für die Heinrich Böll Stiftung.

"Juden sind in Gefahr. Juden haben wieder Angst." So Reinhard Schramm, Vorsitzender der Jüdischen Landesgemeinde Thüringen, nach der dortigen Wahl, bei der die AfD 23,4 Prozent der Stimmen erhielt. 

"Man weiß nie, wie Menschen darauf reagieren, wenn man sich als Jude zu erkennen gibt", sagte ein Schüler des Jüdischen Gymnasiums Berlin beim Besuch von Bundesjustizministerin Christine Lambrecht, über den dieser Artikel berichtet.

"Es gibt den Begriff des 'jüdischen dennoch': gerade, jetzt erst recht, zeigen wir, dass wir da sind. Und geben wir denen nicht den Erfolg, den sich gerade solche Menschen wünschen: jüdisches Leben in Deutschland zu zerstören." So lautet das Plädoyer des Präsidenten des Zentralrats der Juden, Dr. Josef Schuster, an die Jüdinnen und Juden in Deutschland.

"Sauer". Im Podcast "Anti und semitisch" von Juna Grossmann und Chajm Guski beschreiben die beiden ihre Wut (Ausgabe vom 31.10.2019).

"Ich kann nicht gut schlafen seit dem Angriff. Aber ich spreche viel mit Freunden, das hilft mir." Im Interview mit der Süddeutschen Zeitung schildert Samuel K. seine Erlebnisse in einem Freiburger Fitnessstudio.

Screenshot vom Beitrag einer anonymisierten Facebook-Nutzerin
Anonymisierter Beitrag einer Facebook-Nutzerin die sich nach dem Anschlag in Halle fragt, ob sie mit ihrer Famile noch sicher ist in Deutschland.

"Was müsste passieren, damit du Deutschland verlässt?" Diese Frage stellte sich eine anonymisierte Facebook-Nutzerin in diesem Beitrag nach dem Anschlag in Halle. Und schiebt nach: "Jetzt frage ich mich, ob ich den Zeitpunkt nicht bereits verpasst habe."

"Judenfeindschaft ist zeit- und grenzenlos." Der Diplom-Psychologe und Autor Louis Lewitan analysiert im Tagesspiegel den Judenhass und stellt die Frage, welche Konsequenzen aus der aktuellen Situation gezogen werden müssten.

"Jom Kippur ist die Antithese zu dem, was in Halle passiert ist." Laura Cazés und andere Frankfurter jüdische Menschen äußern sich in diesem Artikel in der Frankfurter Rundschau.

"War da was?" Diese Frage empfindet der Sozialwissenschaftler und Antisemitismusforscher Samuel Salzborn als korrekte Beschreibung zur Haltung der deutschen Politik gegenüber Antisemitismus. Zum taz-Artikel.

"Alltag in Angst?" ist dieser WDR-Fernsehbeitrag über jüdisches Leben in NRW übertitelt.

"Alles was ich möchte, ist Normalität." Jüdische Menschen blicken in diesem Artikel in The Berlin Spectator auf das Jahr 2019 zurück.

"Halle war mein Zuhause." Drei jüdische Menschen berichten in der SZ, warum sie beginnen, sich fremd zu fühlen im eigenen Land.

Marina Chernivsky leitet das Kompetenzzentrum für Prävention und Empowerment der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden (ZWST) in Deutschland und hat "Ungehagen an der Gegenwart".

"Ich wünsche mir ein ruhiges Leben in Deutschland." In vielen kleine Jüdischen Gemeinden wird die Sicherheit verstärkt diskutiert, berichtet die Jüdische Allgemeine.

Wollen wir eigentlich noch in Deutschland leben? Das fragen sich jüdische Menschen in diesem Artikel im Business Insider.

 

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Kommentare

Solange wie Schülerinnen und Schülern in Deutschland in ihren staatlich zugelassenen Geschichtsbüchern antisemitische Gerüchte vermittelt werden, wundert dieser Anschlag leider nicht. Das Gerücht von der vermeintlichen Affinität von Jüdinnen/Juden und Geld sowie vom angeblichen internationalen Finanzjudentum, auf das sich der Attentäter berief, wird in zu vielen deutschen, mit Steuergeldern finanzierten Geschichtsbüchern an die nächste Generation weitergegeben. Das wird seit 60 Jahren in der einschlägigen Literatur und den Schulbuchempfehlungen kritisiert (Leo-Baeck Institut, deutsch-Israelische Schulbuchkommission seit 1985, Gemeinsame Erklärung von Kultusministerkonferenz und Zentralrat der Juden). Es braucht Unterstützung, damit das Kriterium "frei von inhärentem und explizitem Antisemitismus" in die Schulbuchzulassungsverordnungen der Länder aufgenommen wird. Was ist wichtiger: der nächsten Generation diese antisemitischen Stereotype mitzugeben oder mit einer parlamentarischen Initiative dem Versprechen, Antisemitismus "konsequent, entschieden und mit aller Kraft zu bekämpfen" auch Taten folgen zu lassen? Literatur z.B. : Chaim Schatzker, Die Juden in den deutschen Geschichtsbüchern. Schulbuchanalyse zur Darstellung der Juden, des Judentums und des Staates Israel (= Schriftenreihe der Bundeszentrale für Politische Bildung 173), 1981 Wolfgang Marienfeld, Jüdische Geschichte im Schulbuch der Gegenwart, in: GWU H. 3, 2003, 54. Jhrg., S. 167-173 Bundestagsresolution gegen Antisemitismus vom 4.11.2008 auf Antrag der Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, „Den Kampf gegen Antisemitismus verstärken, jüdisches Leben in Deutschland weiter fördern“ Drucksache 16/10775 (neu) Leo Baeck Institut, Wissenschaftliche Arbeitsgemeinschaft und Kommission für die Verbreitung deutsch-jüdischer Geschichte im Unterricht, Hg., Deutsch-Jüdische Geschichte im Unterricht. Eine Orientierungshilfe für Schule und Erwachsenenbildung, Frankfurt 2003 / 2. Fassung 2011 Martin Liepach / Dirk Sadowski, Hg., Jüdische Geschichte im Schulbuch. Eine Bestandsaufnahme anhand aktueller Lehrwerke (Eckert-Expertise, Georg-Eckert-Institut für internationale Schulbuchforschung, Band 3) Göttingen 2014 Deutsch-Israelische Schulbuchkommission (DISKB), Deutsch-israelische Schulbuchempfehlungen, Georg-Eckert-Institut für internationale Schulbuchforschung, Bd. 5, Göttingen 2015. Zentralrat der Juden in Deutschland, Kultusministerkonferenz, Hg., Gemeinsame Erklärung zur Vermittlung jüdischer Geschichte, Kultur und Religion in der Schule, Berlin 2016 Europäisches Parlament, Entschließung des Europäischen Parlaments zur Bekämpfung des Antisemitismus (2017/2692(RSP)), 1 Juni 2017, Nr. 15; Organisation der Vereinten Nationen für Bildung, Wissenschaft und Kultur (UNESCO), Büro für Demokratische Institutionen und Menschenrechte (BDMIR), Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), Hg., Mit Bildungsarbeit gegen Antisemitismus. Ein Leitfaden für politische Entscheidungsträger/-innen, Originaltitel: Addressing Anti-Semitism through Education – Guidelines for Policymakers 2019

11.07.2020 • Schmeiser

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