Zum heutigen Tag der Muttersprache wirft unsere Kuratorin Katja Janitschek einen Blick auf die gegenwärtige Renaissance der jiddischen Sprache und deren Geschichte.

Universitäten und Kulturzentren bieten Sprachkurse an, und es gibt ein stetig wachsendes Interesse an jiddischer Musik, jiddischem Theater und jiddischer Literatur. In manchen Ferneshserien wie zum Beispiel Shtisel (aktuell in der ARTE-Mediathek zu sehen) oder Rough Diamonds wird neben Englisch auch Jiddisch gesprochen und auf diese Weise einem breiteren Publikum zugänglich gemacht. Dabei war Jiddisch lange Zeit eine fast tot geglaubte Sprache.
Ausgelöschtes Jiddischland
Vor der Schoa gab es fast elf Millionen Jiddisch-Sprechende. Die Mehrheit von ihnen lebte in Ost- und Mitteleuropa. Der Großteil von ihnen wurden ermordet. Damit wurde auch die jiddische Literatur, das jiddische Theater und die gesamte jiddischsprachige Kultur fast vollständig ausgelöscht – auch wenn Überlebende weiterhin Literatur in jiddischer Sprache verfassten.
Heute geht man weltweit von einer halben Million bis einer Million Jiddisch-Muttersprachler aus. Die meisten davon gehören zu streng religiösen Gemeinden und finden sich beispielsweise in Antwerpen, New York oder Jerusalem. In Ländern wie den Niederlanden, Schweden, der Ukraine und Teilen der Schweiz ist Jiddisch eine anerkannte Minderheitensprache.
Entstehung des Jiddischen

Jiddisch entstand zwischen dem 9. und 12 Jahrhundert im Gebiet zwischen dem südwestlichen Deutschland und dem angrenzenden Frankreich. Es entwickelte sich aus dem Mittelhochdeutschen und weist zahlreiche Hebraismen auf, also Begriffe und Lehnworte aus der hebräischen Sprache. Es wurde in Osteuropa durch den Einfluss der umgebenden slawischen Sprachen bereichert. Im Mittelalter war die jüdische Bevölkerung Mitteleuropas häufig Verfolgungen ausgesetzt und sah sich daher gezwungen, ins östliche Europa zu fliehen. Dort wurde das Jiddisch durch den Einfluss der slawischen Sprachen geprägt und entwickelte sich weiter.
Das Jiddische veränderte sich im Laufe der Zeit und es werden zwei große Dialektgruppen und mehreren Unterdialekte unterschieden. So gab es einerseits das Westjiddische, das zwischen Amsterdam und Budapest gesprochen wurde und heute weitgehend ausgestorben ist (in diesem Blogbeitrag erfahrt Ihr mehr darüber); und andererseits das auch heute noch gesprochene Ostjiddisch, das seit dem 16. Jahrhundert in Osteuropa zur Alltagssprache der jüdischen Bevölkerung wurde.
Im Jahr 1978 erhielt der polnisch-US-amerkianische Schriftsteller Isaac Bashevis Singer den Nobelpreis für Literatur in Stockholm – als bislang einziger jiddischer Schriftsteller. Die jiddische Sprache erfuhr so auch eine internationale Würdigung.
Vaybertaytsh: Feministischer Podcast für Jiddisch-Lernende und Neugierige
Eigentlich bezeichnet Vaybertaytsh eine bestimmte Schriftart für das jiddische Alphabet, die in der altjiddischen Literatur üblich war und später vor allem in Texten für und von Frauen Verwendung fand. Als junge Jiddisch-Lernerin hat Sandy (Sosye) Fox weibliche Stimmen zur Orientierung vermisst und deshalb in der Tradition feministischer Radio-Sendungen der 1960er und 70er Jahre den Podcast ‚Vaybertaytsh‘ ins Leben gerufen. Sehr zu empfehlen für Jiddisch-Lernende und Neugierige!
Jiddisch in der deutschen Alltagssprache

Auch heute kennen und wir benutzen wir im Deutschen zahlreiche jiddische Wörter, oft ohne es zu wissen. So sind Wörter wie schmusen, Ganove, Tacheles oder Mischpoche jiddischen Ursprungs. Dass jiddische Begriffe im deutschen oft eine neue, mitunter negative Konnotation bekommen, darauf weist Ronen Steinke in diesem Buch hin.
Jiddisch wird mit hebräischen Buchstaben geschrieben. Eine Besonderheit in Deutschland war, dass teilweise Texte in deutscher Sprache, aber mit hebräischen Buchstaben verfasst wurden. Diese Dokumente sind jedoch selten, eines davon befindet sich in unserer aktuellen Wechselausstellung Im Angesicht des Todes. Es handelt sich dabei um die Speisekarte eines Festessens einer Chewra Kadischa (Beerdigungsbrüderschaft) zu Frankfurt am Main mit Fotoportraits seiner Mietglieder, 13.02.1930.
Zum jährlichen Todestag des biblischen Moses und anderen Anlässen kommen die Mitglieder einer Beerdigungsgesellschaft zu einem Festessen zusammen. Auf den Porträtfotos zu sehen sind die Mitglieder der Frankfurter Chewra Kadischa im Jahr 1930 sowie die Speisenfolge für das Festmahl. Serviert wurde neben Salaten und Kompott, Hühnersuppe, Rinderbrust und Poularde, Eispudding mit Schokoladensoße sowie Mokka. (Ob es sich hier wirklich um den Todestag Mose handelt ist unklar, wahrscheinlich handelte es sich um einen anderen Anlass.)
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