Sammlung von Beiheften zu den Tagen der Jiddischen Kultur Berlin, 1987-1996

Zum Tag der Muttersprache

Renaissance der jiddischen Sprache
Foto von Katja Janitschek
21. Februar 2025Katja Janitschek

Zum heutigen Tag der Muttersprache wirft unsere Kuratorin Katja Janitschek einen Blick auf die gegenwärtige Renaissance der jiddischen Sprache und deren Geschichte.

Plakat zur Netflix-Serie Rough Diamonds
Plakat zur Netflix-Serie Rough Diamonds. Hier wir neben Englisch ganz selbstverständlich auch Jiddisch gesprochen.

Universitäten und Kulturzentren bieten Sprachkurse an, und es gibt ein stetig wachsendes Interesse an jiddischer Musik, jiddischem Theater und jiddischer Literatur. In manchen Ferneshserien wie zum Beispiel Shtisel (aktuell in der ARTE-Mediathek zu sehen) oder Rough Diamonds wird neben Englisch auch Jiddisch gesprochen und auf diese Weise einem breiteren Publikum zugänglich gemacht. Dabei war Jiddisch lange Zeit eine fast tot geglaubte Sprache. 

Ausgelöschtes Jiddischland

Vor der Schoa gab es fast elf Millionen Jiddisch-Sprechende. Die Mehrheit von ihnen lebte in Ost- und Mitteleuropa. Der Großteil von ihnen wurden ermordet. Damit wurde auch die jiddische Literatur, das jiddische Theater und die gesamte jiddischsprachige Kultur fast vollständig ausgelöscht – auch wenn Überlebende weiterhin Literatur in jiddischer Sprache verfassten.

Heute geht man weltweit von einer halben Million bis einer Million Jiddisch-Muttersprachler aus. Die meisten davon gehören zu streng religiösen Gemeinden und finden sich beispielsweise in Antwerpen, New York oder Jerusalem. In Ländern wie den Niederlanden, Schweden, der Ukraine und Teilen der Schweiz ist Jiddisch eine anerkannte Minderheitensprache.

Entstehung des Jiddischen

 Isaac Bashevis Singer
Isaac Bashevis Singer (1902-1991) war der erste und bislang einzige jiddischsprachige Literaturnobelpreisträger. Foto: MDCarchives CC-BY

Jiddisch entstand zwischen dem 9. und 12 Jahrhundert im Gebiet zwischen dem südwestlichen Deutschland und dem angrenzenden Frankreich. Es entwickelte sich aus dem Mittelhochdeutschen und weist zahlreiche Hebraismen auf, also Begriffe und Lehnworte aus der hebräischen Sprache. Es wurde in Osteuropa durch den Einfluss der umgebenden slawischen Sprachen bereichert. Im Mittelalter war die jüdische Bevölkerung Mitteleuropas häufig Verfolgungen ausgesetzt und sah sich daher gezwungen, ins östliche Europa zu fliehen. Dort wurde das Jiddisch durch den Einfluss der slawischen Sprachen geprägt und entwickelte sich weiter.

Das Jiddische veränderte sich im Laufe der Zeit und es werden zwei große Dialektgruppen und mehreren Unterdialekte unterschieden. So gab es einerseits das Westjiddische, das zwischen Amsterdam und Budapest gesprochen wurde und heute weitgehend ausgestorben ist (in diesem Blogbeitrag erfahrt Ihr mehr darüber); und andererseits das auch heute noch gesprochene Ostjiddisch, das seit dem 16. Jahrhundert in Osteuropa zur Alltagssprache der jüdischen Bevölkerung wurde.  

Im Jahr 1978 erhielt der polnisch-US-amerkianische Schriftsteller Isaac Bashevis Singer den Nobelpreis für Literatur in Stockholm – als bislang einziger jiddischer Schriftsteller. Die jiddische Sprache erfuhr so auch eine internationale Würdigung. 
 

Jiddisch in der deutschen Alltagssprache

Speisekarte eines Festessens der Chewra Kadischa de-Gomle Chasadim zu Frankfurt am Main mit Fotoportraits der Mitglieder, 13.02.1930
Speisekarte eines Festessens der Chewra Kadischa de-Gomle Chasadim zu Frankfurt am Main mit Fotoportraits der Mitglieder, 13.02.1930. Der Text in deutscher Sprache ist hier in hebräischen Buchstaben zu lesen.

Auch heute kennen und wir benutzen wir im Deutschen zahlreiche jiddische Wörter, oft ohne es zu wissen. So sind Wörter wie schmusen, Ganove, Tacheles oder Mischpoche jiddischen Ursprungs. Dass jiddische Begriffe im deutschen oft eine neue, mitunter negative Konnotation bekommen, darauf weist Ronen Steinke in diesem Buch hin.

Jiddisch wird mit hebräischen Buchstaben geschrieben. Eine Besonderheit in Deutschland war, dass teilweise Texte in deutscher Sprache, aber mit hebräischen Buchstaben verfasst wurden. Diese Dokumente sind jedoch selten, eines davon befindet sich in unserer aktuellen Wechselausstellung Im Angesicht des Todes. Es handelt sich dabei um die Speisekarte eines Festessens einer Chewra Kadischa (Beerdigungsbrüderschaft) zu Frankfurt am Main mit Fotoportraits seiner Mietglieder, 13.02.1930.

Zum jährlichen Todestag des biblischen Moses und anderen Anlässen kommen die Mitglieder einer Beerdigungsgesellschaft zu einem Festessen zusammen. Auf den Porträtfotos zu sehen sind die Mitglieder der Frankfurter Chewra Kadischa im Jahr 1930 sowie die Speisenfolge für das Festmahl. Serviert wurde neben Salaten und Kompott, Hühnersuppe, Rinderbrust und Poularde, Eispudding mit Schokoladensoße sowie Mokka. (Ob es sich hier wirklich um den Todestag Mose handelt ist unklar, wahrscheinlich handelte es sich um einen anderen Anlass.)

Westjiddisch

In diesem Blogbeitrag wirft Sara Soussan, Kuratorin für jüdische Kulturen der Gegenwart, einen Blick auf eine heute ausgestorbene Sprache: das Westjiddische.

Wormser Machsor von 1272

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