Besucherfeedback auf Klebezetteln in der Rache-Ausstellung

"Habe mich empowert gefühlt"

Besucher*innen-Feedback zur Ausstellung "Rache. Geschichte und Fantasie"
Foto von Johanna Weiß
01. September 2022Johanna Weiß

Johanna Weiß aus unserem kuratorischen Team wirft einen Blick auf das Feedback unserer Besucher*innen, das wir auf unsere Ausstellung "Rache. Geschichte und Fantasie" bekommen haben.

„Was bedeutet Rache für Dich?“ Das ist eine der sechs Fragen, die wir im letzten Raum unserer Ausstellung "Rache – Geschichte und Fantasie" an die Besucher*innen richten. An dieser Station der Ausstellung, im Archiv der Gegenwart, öffnet sich ein Raum, der dazu einlädt, das Gesehene zu reflektieren und in einem breiten Angebot an Medien zu recherchieren.

Rache in der jüdischen Kulturgeschichte und Populärkultur

Blick in das "Archiv der Gegenwart" in unserer Rache-Ausstellung mit einer Wand voller Comics
Blick ins "Archiv der Gegenwart" in unserer Rache-Ausstellung. Foto: Norbert Miguletz CC-BY 4.0

Die vorhergehenden Ausstellungsabschnitte handeln von den Fantasien, Geschichten und Legenden zum Thema Rache aus jüdischer Perspektive. Dabei wird ein weiter Bogen gespannt, beginnend mit der Geschichte von Judith und Holofernes, den Taten von Simson über die Legenden von Lilith (hierzu auch dieser Blogbeitrag) und dem Golem bis hin zu jüdischen Gangsterbanden wie der Kosher Nostra, der Jewish Brigade und der Comicfigur Magneto aus X-Men. Es werden Strategien der Gegenwehr diskutiert, die in der bildenden Kunst und Popkultur erzählt werden. Verschiedenste Exponate beleuchten die Emotionen Rache, Trauer und Untröstlichkeit, die als Teil jüdischer Selbstermächtigung zu verstehen sind - aus theologischer, geschichtswissenschaftlicher und künstlerischer Sicht. Zum Abschluss der Ausstellung legen wir im Archiv der Gegenwart die von uns genutzten Quellen für die Besucher*innen offen: Bücher, Comics, Magazine sowie sozial- und geisteswissenschaftliche Aufsatzsammlungen laden zum Schmökern und Vertiefen ein.

Im Dialog mit unseren Besucher*innen

Feedbackwand in der Rache-Ausstellung
Fragen und Gedanken zum Thema Rache: Blick auf die Feedback-Wand in unserer Rache-Ausstellung mit zahlreichen Post-Its von Besucher*innen

An dieser Stelle möchten wir mit den Besucher*innen in einen Dialog über Rache als Emotion treten, die infolge der jahrhundertlangen jüdischen Erfahrungen von Entrechtung, Verfolgung und Gewalt von besonderer Bedeutung ist.Die ausgelegte Literaturauswahl im Archiv der Gegenwart dient dazu, die aufgeworfenen Gefühle der Besucher*innen in einem ersten Schritt aufzufangen. Auf Feedbackwänden können die Besucher*innen ihre Gedanken und Gefühle zu dem Thema auf Post-Its äußern. Hier treten sie in Dialog miteinander – und mit uns als Kurator*innen der Ausstellung.

Denn an dieser Stelle öffnen wir die Dialogspur zwischen Kurator Max Czollek und Museumsdirektorin Mirjam Wenzel für die Besucher*innen. Diese Dialogspur dokumentiert unsere Diskussionen und Gedankenverläufe während der zweijährigen Planungsphase der Ausstellung und ist an zentrale Stellen im Parcours zu finden. Im übertragenen Sinn sind sie an die Methodik der traditionellen Chavruta (חַבְרוּתָא) angelehnt, dem kontrovers-dialogischen Studium der Talmudtexte in den Jeshiwot, den rabbinischen Ausbildungsschulen. Hier erfahrt Ihr mehr darüber.

Auf die Frage "Was bedeutet Rache für Dich“ zitierte ein*e Besucher*in diese Zeile aus dem Lied "mir veln zey iberlebn", zu Deutsch: "Wir werden sie überleben".

Das gesamte Archiv der Gegenwart ist als offener Denkraum konzipiert, was auch durch die Artists in Residence ersichtlich wird, die hier abwechselnd arbeiten. Die Künstlerinnen Nina Prader, Hagar Ophir, Jay Saper und Larissa Smurago mit Ha-Nul Lee verhandeln in Form von queerfeministischen Zines, einer performativen Séance, Scherenschnitten aus der Jüdischen Volkskunst und eines transkulturellen Ahnentisches eine weitere zeitgenössische Auseinandersetzung mit dem Thema Rache. Diese wiederum beeinflussen die Reaktionen der Besuchenden, wie folgendes Beispiel zeigt: Nachdem der New Yorker Jiddist, Künstler und unser dritter Artist-in-Residence Jay Saper jiddische Gedichte von Partisan*innen und Widerstandskämpfer*innen von Ghettoaufständen vorgetragen hatte, fanden sich auf der Feedbackwand vermehrt jiddische Kommentare.

Besucher*innen-Feedback

Das Feedback der Besucher*innen besticht durch seine enorme Bandbreite. Bezeichnend ist die Vielsprachigkeit der hinterlassenen Post-Its: Wir freuen uns über Beiträge auf Hebräisch, Jiddisch, Deutsch, Englisch, Französisch, Spanisch, Arabisch, Farsi, Ukrainisch und Russisch.

Die meisten Reaktionen sind positiv. Viele Besucher*innen loben den Mut des Museums, eine Ausstellung zu dem schillerndem Thema Rache realisiert zu haben. Weitere Kommentare heben die Freude über die Darstellung von wehrhaften Jüdinnen und Juden und die Großzahl an weiblichen Rächer*innen-Figuren hervor oder feiern die zeitgenössischen popkulturellen Referenzen. Kritik gab es für die mitunter recht kleine, kontrastarm gedruckte Schrift mancher Ausstellungstexte. Inhaltlich bemängelt wird das Fehlen einer tiefergehenden psychologischen Auseinandersetzung mit dem Thema Rache, manche*r hätte sich weiteren Informationen zu jüdischem Widerstand sowie einer ethischen Verhandlung des Themas Rache gewünscht, also der Frage, ob es denn moralisch gerechtfertigt sein kann, Rache zu üben.

Für alle Beteiligten an der Ausstellungskonzeption und -realisierung sind die Rückmeldungen der Besucher*innen ein großer Schatz. Im Museumsalltag fehlt oft der Raum und die Zeit, mit den Besucher*innen ins Gespräch zu kommen. Deswegen freuen wir uns umso mehr über die zahlreichen klugen und vielschichtigen Kommentare und bedanken uns dafür ganz herzlich bei Euch!

Übrigens: Keine Antwort geht verloren! Sobald auf der Wand kein Platz für neue Stimmen ist, hängen wir einige Post-Its ab und sammeln sie in einem Ordner.

Wir freuen uns sehr über weitere Antworten zu den Fragen an unserer Feedbackwand in den Kommentaren unter diesem Blogartikel. Oder Ihr kommt bis zum 3. Oktober in die Ausstellung, und hinterlasst uns dort etwas an der Feedbackwand.

Johanna Weiß

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