Eine neue App lädt Nutzer*innen dazu ein, sich in Frankfurt auf eine Spurensuche zur jüdischen Frauenrechtlerin Bertha Pappenheim zu begeben.
Bertha Pappenheim (1859–1936) war eine jüdische Sozialaktivistin und Frauenrechtlerin und gehört zu den bedeutendsten Persönlichkeiten der Stadt Frankfurt. Im Archiv des Jüdischen Museums Frankfurt sind noch Archivalien erhalten, darunter einige ihrer Briefwechsel. Pappenheim gilt als Gründerin der Jüdischen Frauenbewegung. Sie wurde durch ihren Einsatz im Kampf gegen den internationalen Mädchen- und Frauenhandel in die Prostitution bekannt. Außerdem hatte sie maßgeblichen Anteil der Gründung sozialer Hilfseinrichtungen für jüdische Mädchen und Frauen. Diese Einrichtungen gelten als Beginn der modernen jüdischen Sozialarbeit.
Auf den Spuren Bertha Pappenheims durch Frankfurt
Die Bertha Pappenheim Map lädt zu drei digitalen Stadtrundgängen durch Frankfurt auf den Spuren Bertha Pappenheims ein. Die drei Rundgänge führen ins jüdische Leben der Stadt Frankfurt um 1900 und erinnern an historische Orte, die mit Pappenheims Leben und Wirken in Verbindung stehen. Sie machen jüdischen Alltag, Bildung und soziale Arbeit, Fremdenfeindlichkeit, Migration, Menschenhandel und den Kampf für mehr Rechte der Frauen im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert sichtbar – und verweisen auf Parallelen zu heute.
Viele Orte, die auf den Rundgängen besucht werden, existieren heute nicht mehr. Die Bertha Pappenheim Map weist auf diese Lücken im Stadtbild hin und macht sie durch Geschichten und alte Fotografien wieder begeh- und erfahrbar.
Im ersten Rundgang durch das Frankfurter Westend geht es vor allem um Bertha Pappenheims Netzwerke und ihre Mitstreiter*innen wie den Frankfurter Mäzen und Philanthropen Charles Lazarus Hallgarten (1838–1908). Der zweite Rundgang durch das Bahnhofsviertel berichtet von Pappenheims Kampf gegen Frauenhandel und Prostitution. Dabei begegnen wir auch jüdischen Migrant*innen, die aus Osteuropa nach Frankfurt kamen und die sozialen Einrichtungen Pappenheims nutzten. Jüdische Mädchen und Frauen, die vor antijüdischen Pogromen oder aus ökonomischen Gründen aus Ost(mittel)europa flohen, galten als besonders gefährdet, Opfer von Menschenhändler*innen zu werden. Im Mittelpunkt des dritten Rundgangs stehen das jüdische Leben im Ostend und die sozialen Einrichtungen, die Pappenheim gegründet und in denen sie mitgearbeitet hat.
Einblicke in das vielfältige jüdische Leben um 1900
Frankfurt war schon um 1900 eine Stadt mit einer vielschichtigen Bevölkerung unterschiedlicher sozialer Herkunft, Religion und Nationalität. Das Stadtbild wurde vom Wohlstand und dem reichen kulturellen Leben des Bürgertums ebenso geprägt wie von Menschen, die in prekären Verhältnissen lebten, sowie von Einwanderung. Die Rundgänge machen auf die räumliche Reproduktion dieser Klassenverhältnisse innerhalb des Frankfurter Judentums aufmerksam. Sie veranschaulichen, wie die soziale Arbeit Pappenheims die deutsch-jüdische Mittel- und Oberschicht mit den ärmeren Migrant*innen aus Osteuropa, den sogenannten „Ostjuden*Ostjüdinnen“, verband, die traditionell in verschiedenen Stadtteilen lebten.
Die Kunstaktionen der Bertha Pappenheim Map
Die Bedeutung von Pappenheims Wirken für unsere heutige Gesellschaft wird besonders in fünf Kunstaktionen von Elianna Renner deutlich, die im Entstehungsprozess der Bertha Pappenheim Map stattfanden. Sie machen auf Parallelen zwischen jetzt und damals aufmerksam – auf Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Antisemitismus, auf Leben am Rand der Gesellschaft, aber auch auf sozialen Gemeinsinn und Wohltätigkeit. Diese Kunstaktionen sind auf der App in Bild und Ton dokumentiert.
Die für Smartphone und Tablet optimierten Audiowalks der Bertha Pappenheim Map sind gratis auf Deutsch und English ohne vorherigen Download online abrufbar: https://berthapappenheim.com/
Die Bertha Pappenheim Map wurde am Seminar für Judaistik der Goethe Universität Frankfurt von Prof. Dr. Rebekka Voß und Dr. Marion Keller in Zusammenarbeit mit der Bremer Künstlerin Elianna Renner entwickelt.
Noch keine Kommentare. Diskutieren Sie mit.
Ihr Kommentar