Blick in die Mike im hessischen Friedberg

Jüdische Geschichte erleben

Ausflugsziele in Frankfurt und Umgebung
Porträt von Korbinian Böck
10. Juni 2021Korbinian Böck

In und um Frankfurt gibt es zahlreiche Orte der jüdischen Geschichte, die Ihr bei einem Spaziergang oder Ausflug erkunden könnt. Einige davon haben wir hier für Euch zusammengestellt. Wir freuen uns über Eure Ergänzungen in den Kommentaren.

Aschaffenburg

Für Frankfurter*innen nur einen Katzensprung entfernt ist das Städtchen Aschaffenburg, direkt an der Grenze zwischen Hessen und Bayern gelegen. Hier gab es einst ein reges jüdisches Gemeinde- und Vereinsleben. Zwei Armenvereine, ein Wohltätigkeitsverein und ein "Fürsorgeverein für israelitische Nerven- und Geisteskranke" widmeten sich sozialen Fragen. Mit kulturell-religiösen Belangen beschäftigte sich der Talmud Thoraverein und der Verein zur Wahrung jüdischer Interessen.

Spuren des jüdischen Lebens finden sich heute im ehemaligen Rabbinats- und Schulgebäude. Es dient inzwischen als Museum Jüdischer Geschichte und Kultur und dokumentiert die jüdische Geschichte und Kultur Aschaffenburgs. Die Dauerausstellung spannt den Bogen von der Erwähnung der ersten jüdischen Synagoge im Jahr 1267 bis zur Zeit der Verfolgung im Nationalsozialismus. An die wunderschöne Synagoge, die einst neben dem Rabbinatsgebäude stand, erinnert ein Gedenkort.

Wer sportlich ist und sich ausreichend vor der Sonne schützt, kann den Besuch von Frankfurt aus sogar mit einer schönen Radtour verbinden: immer flussaufwärts den Main entlang. Dabei kommt Ihr auch in Offenbach vorbei. Was es dort zu entdecken gibt, erfahrt Ihr im nächsten Absatz.

Offenbach

Die "Stele der Erinnerung" in Offenbach
Die "Stele der Erinnerung" in Offenbach verweist auf die erste Ansiedlung von Juden in Offenbach.

Auch in Offenbach gibt es einige Orte zu entdecken, die von der jüdischen Geschichte der Stadt erzählen. Anders als in Frankfurt war die Offenbacher Judengasse kein geschlossenes Wohngebiet. Vielmehr lebten hier Juden und Christen nachbarschaftlich nebeneinander. In der Großen Judengasse, heute Große Marktstraße, lag auch die älteste Synagoge der Offenbacher Juden. Sie wird bereits 1708 erwähnt, fiel aber bald einem Brand zum Opfer und wurde 1729/30 durch einen Neubau ersetzt. Er diente der jüdischen Gemeinde Offenbachs fast 200 Jahre lang als Gebetshaus.

Um 1900 wurde die Synagoge zu klein für die wachsende Gemeinde. Sie errichtete daher in der Goethestraße eine neue Synagoge. Die bisherige Synagoge wurde 1919 zum Kino umgebaut, das bis 1999 in Betrieb war. Als die Fassade des nunmehr als Geschäftshaus dienenden Gebäudes 2011/12 erneuert wurde, stieß man hinter der Fassadenverkleidung auf eine beeindruckende rote Sandsteinmauer: die Ostwand der einstigen Synagoge. 2012 errichtete die Max Dienemann / Salomon Formstecher Gesellschaft neben der historischen Synagogenwand die "Stele der Erinnerung". Sie verweist auf die erste Ansiedlung von Juden in Offenbach. Zwei Informationstafeln zeichnen in Kurzform die Geschichte der jüdischen Gemeinde Offenbach nach.

Frühere Synagoge in der Goethestraße Offenbach
Außenansicht der Synagoge. Ihre Architektur prägt die Goethestraße bis heute. © Haus der Stadtgeschichte – Archiv

Die im April 1916 geweihte neue Synagoge an der Goethestraße erinnert mit ihrer monumentalen Kuppel an antike griechisch-römische Architektursprache. Sie war ein Bekenntnis der Offenbacher Juden zur humanistischen Kultur des Abendlands und zur deutschen Nation. Beim Novemberpogrom 1938 wurde die Synagoge im Innern verwüstet und in Brand gesteckt. Das äußerlich unversehrte Gebäude wurde zum Film- und Theaterhaus umgebaut und für nationalsozialistische Parteikundgebungen missbraucht. Nach dem Ende des Nationalsozialismus diente das Gebäude bis 1989 als Theater der Stadt Offenbach. 1995 wurde es von einem privaten Konzertveranstalter zum Musicaltheater umgebaut. Dabei wurde der ursprüngliche Bauzustand weitgehend wiederhergestellt. Heute ist das Gebäude unter dem Namen Capitol Theater als städtisches Veranstaltungshaus bekannt.

Die Jüdische Gemeinde Offenbach erhielt 1956 eine neue Synagoge in der Kaiserstraße, gegenüber der ehemaligen Synagoge. Dieser erste Synagogenneubau in Hessen nach dem nationalsozialistischen Massenmord wurde 1997 umgestaltet, erweitert und in ein Gemeindezentrum integriert, das bis heute Sitz der Jüdischen Gemeinde Offenbach ist.

Gleich bei ihrer Gründung 1707 legte die Offenbacher Gemeinde auch einen eigenen Friedhof an. Dieser lag an der heutigen Bismarck- bzw. Groß-Hasenbach-Straße. Er wurde 1860 trotz massiver Proteste der Gemeinde geschlossen, da er die bauliche Entwicklung der Stadt nach Süden behinderte. Die jüdische Gemeinde erhielt ein Ersatzgelände neben dem damals Neuen (heute Alten) Friedhof. Von 1861 bis 1997 setzten die Offenbacher Juden hier ihre Toten bei. Den Friedhof könnt Ihr – außer an Schabbat und an jüdischen Feiertagen – jederzeit besuchen. Männer werden gebeten, eine Kopfbedeckung zu tragen.

Taunuswanderung vorbei am jüdischen Friedhof von Kronberg

Jüdischer Friedhof in Kronberg
Blick auf den jüdischen Friedhof in Kronberg.

Wer der sommerlichen Hitze entfliehen möchte, dem empfehlen wir eine Wanderung durch den angenehm temperierten Taunus. Auf unserer empfohlenen Route gibt es sogar einen jüdischen Friedhof zu entdecken.

Von der Hohemark und der dortigen U-Bahnstation aus lässt sich eine Zeitreise zu den Kelten bis hinauf zum Gipfel des Altkönigs antreten. Der Abstieg führt an Falkenstein vorbei. Abseits des Ortes, mitten im Wald, liegt der alte Jüdische Friedhof von Kronberg. Es ist ein kleines, mit Jägerzaun umfasstes Areal mit 38 Grabmälern. Doch es ist nur ein Bruchteil der Fläche, den der Friedhof einst einnahm. Von 1708 bis 1925 bestatteten die Kronberger Juden hier ihre Toten.

Die Geschichte der Jüdischen Gemeinde von Kronberg reicht lange zurück. Im Jahr 1300 werden die ersten jüdischen Familien erwähnt, 1516 weist die Stadt sie aus. Ein Jahrhundert später dürfen sich wieder jüdische Familien niederlassen, erst als Untergebene der Stadt Kronberg, dann als Schützlinge von Kurmainz. Um 1700 dürfen sie in der Mauerstraße ein Fachwerkhaus als Synagoge nutzen und ab 1708 ein 5.000 m² großes Feld als Friedhof. Zunächst müssen sie Gebühren für den Friedhof zahlen, aber 1801 ist der Platz im Besitz der Gemeinde. Mitte des 19. Jahrhunderts verkleinerte sich die Gemeinde - viele Mitglieder zogen in andere Orte. Das nachbarliche Königstein wurde zum Sitz der Hauptgemeinde. 1914 schloss aus Mitgliedermangel die Synagoge und 1925 der Friedhof.

Die nationalsozialistische Leitung Kronbergs ließ einen Großteil des Friedhofs zerstören und aufforsten. Die letzten jüdischen Familien wurden deportiert und ermordet. Heute weisen Stolpersteine und Gedenkplaketten in der Stadt und am Friedhof Bewohner und Wanderer auf die jüdische Geschichte Kronbergs hin. Hier erfahrt Ihr mehr über die Kronberger Juden.

Unsichtbare Orte in Frankfurt

Mit unserer App "Unsichtbare Orte" könnt Ihr jüdische Zeitgeschichte im Stadtraum Frankfurts erkunden sowie die Geschichte verschiedener migrantischer Communities. Kostenlos für iOS und ANDROID. 

Ansichten aus der App "Unsichtbare Orte"

Jüdische Friedhöfe in Frankfurt

In Frankfurt könnt Ihr auf drei jüdischen Friedhöfen 800 Jahre jüdische Begräbniskultur erleben. Geöffnet sind sie täglich außer samstags (Schabbat) und an jüdischen Feiertagen. Männer sollten eine Kopfbedeckung tragen, ob Kippa, Kapuze oder Hut.

Durch die Eingemeindung zahlreicher Frankfurter Vororte im 19. und 20. Jahrhundert gibt es zudem noch weitere kleinere, nicht mehr genutzte, jüdische Friedhöfe im Frankfurter Stadtgebiet. Sie sind für Besuchende nicht öffentlich zugänglich. Es handelt sich um:

Friedhöfe in Bergen-Enkheim am Weißen Turm und in der Vilbeler Straße
Friedhof Bockenheim, Sophienstraße
Friedhof Griesheim, Heinrich-Hardt-Straße (innerhalb des christlichen Friedhofs)
Friedhof Heddernheim, In der Römerstadt
Friedhöfe in Niederursel und Urselbachtal, beide Oberurseler Weg
Friedhöfe in Rödelheim, Zentmarkweg, hinter der Straße Am Seedamm und
Westerbachstraße (innerhalb des christlichen Friedhofs)

Blick auf den alten jüdischen Friedhof an der Battonnstraße Frankfurt
Blick auf den alten jüdischen Friedhof an der Battonnstraße Frankfurt; Foto: Norbert Miguletz © Jüdisches Museum Frankfurt

Der älteste jüdische Friedhof in unserer Stadt ist zugleich der zweitälteste in ganz Deutschland. Er liegt direkt neben dem Museum Judengasse an der Battonnstraße. Das älteste erhaltene Grab stammt aus dem Jahr 1272. Seine Geschichte reicht aber wohl noch weiter zurück. Bis 1828 wurde hier bestattet. Außer an Samstagen und Montagen könnt Ihr den Friedhof jederzeit besuchen. Den Schlüssel gibt’s an der Museumskasse. Am besten nehmt Ihr Euch dort unseren Audioguide mit oder ladet ihn vorher aus den bekannten Appstores aufs Handy und lasst Euch damit führen. An jedem zweiten Sonntag bieten wir zudem öffentliche Führungen an. Hier erfahrt Ihr mehr über diesen Friedhof.

Alter Jüdischer Friedhof in der Rat-Beil-Straße Frankfurt
Tausende Gräber unter wunderschönen alten Bäumen erwarten Euch auf dem alten Jüdischen Friedhof in der Rat-Beil-Straße Frankfurt. Foto: Korbinian Böck CC-BY

Nachdem der Begräbnisplatz an der Battonnstraße restlos überfüllt war, wich die jüdische Gemeinde auf einen neuen Friedhof an der Rat-Beil-Straße aus. Er ist Teil des Frankfurter Hauptfriedhofs im Nordend. An dessen südlichem Ende könnt ihr unter wunderschönen alten Bäumen Grabkultur des 19. und frühen 20. Jahrhunderts bewundern. Lauft dabei am besten von West nach Ost, dann folgt Ihr in etwa dem historischen Verlauf der Belegung und könnt den Wandel der Grabgestaltung genau nachverfolgen. Nicht wundern, wenn Euch viele der Namen auf den über 20.000 Gräbern bekannt vorkommen, denn hier liegt jede Menge historischer Prominenz.

Nicht weit entfernt an der Eckenheimer Landstraße liegt der Neue Jüdische Friedhof. Er wurde 1928 eröffnet, als auch der Friedhof an der Rat-Beil-Straße zu klein wurde. Bis heute wird er von der Jüdischen Gemeinde für Bestattungen genutzt. Seine Gestaltung ist sehr viel sachlicher gehalten. Prachtvolle Grabmäler wie auf Rat-Beil werdet Ihr hier kaum finden. Zwei Besonderheiten auf dem Friedhof erinnern an die Zeit des Nationalsozialismus und die Schoa: Eine der Friedhofsmauern entstand aus Steinen der beim Novemberpogrom 1938 zerstörten Börneplatzsynagoge und der alten Hauptsynagoge. Entlang der Hauptachse liegen zudem rund 800 Grabstätten von Frankfurter Jüdinnen und Juden, die sich ihrer Deportation während des Zweiten Weltkriegs durch Freitod entzogen. Sie sind alle gleich gestaltet und tragen als gemeinsame Inschrift "Gestorben für die Heiligung des Namens".

Sehenswert ist zudem der Vorplatz mit Gebäuden im Stil der Neuen Sachlichkeit, ein Werk des Architekten Fritz Nathan. Hier liegt auch das Büro der Friedhofsverwaltung der Jüdischen Gemeinde, bei der Ihr Euch bei einem Besuch kurz vorstellen und anmelden solltet.

Hochbunker an der Friedberger Anlage in Frankfurt

An der Friedberger Anlage in der östlichen Innenstadt Frankfurts steht heute ein Hochbunker aus dem Zweiten Weltkrieg. Im Jahr 1907 war an dieser Stelle die Synagoge der Israelitischen Religionsgesellschaft (IRG) eingeweiht worden. In dem prächtigen Gebäude gab es 1.000 Sitzplätze für Männer, auf der Empore fanden 600 Frauen Platz. Damit war sie seinerzeit die größte Synagoge Frankfurts. Für die äußere Erscheinung verwendeten die Architekten auch moderne Jugendstilelemente.

Hochbunker an der Friedberger Anlage Frankfurt
Blick auf den Hochbunker an der Friedberger Anlage Frankfurt. Hier zeigt die "Initiative 9. November" und das Jüdische Museum mehrere Ausstellungen.

Während der November-Pogrome 1938 steckten Nationalsozialisten auch die Synagoge an der Friedberger Anlage in Brand. Kurz darauf ließ die Stadtverwaltung die Mauern abtragen. Auf den Fundamenten wurde 1942/43 der Hochbunker errichtet. Er überdauerte den Krieg und ist seit 1988 ein Erinnerungs- und Lernort, betreut von der Initiative 9. November. Im Hochbunker könnt Ihr unsere Ausstellung "Ostend. Blick in ein jüdisches Viertel" besuchen. Daneben zeigt die Initiative 9. November die Ausstellungen "Vom DP-Lager Föhrenwald nach Frankfurt in die Waldschmidtstraße" sowie "Jüdisches Leben in Deutschland heute" des Frankfurter Fotografen Rafael Herlich.

Geöffnet ist der Bunker immer sonntags von 11 bis 14 Uhr. Weitere Informationen findet Ihr hier.

Die SchUM-Stadt Speyer

Habt Ihr schon mal von den sogenannten SchUM-Städten gehört? Gemeint sind die drei Städte Speyer, Worms und Mainz. Der Name ist ein Akronym und ergibt sich aus den Anfangsbuchstaben der mittelalterlichen, auf Latein zurückgehenden hebräischen Städtenamen. Sie sind für ihre jüdische Geschichte weltbekannt und wurden im Juli 2021 in die UNESCO-Welterbeliste aufgenommen. Daher wollen wir Euch einen Besuch der jüdischen Stätten in Schpira (so lautet der hebräische Ortsname Speyers) ans Herz legen.

Mitten in der Altstadt, unweit des berühmten Speyrer Domes, befand sich früher das jüdische Zentrum der Stadt. Heute könnt Ihr an dieser Stelle das Museum SchPIRA finden, das eine kleine und sehr feine Ausstellung zur Geschichte der Gemeinde anhand archäologischer Fundstücke präsentiert. Als Attraktion im Außenbereich des Museums lassen sich noch Mauerreste der mittelalterlichen Synagoge und ein beeindruckendes jüdisches Ritualbad (Mikwe) besichtigen.

Weitere Informationen zum Museum sowie eine App zur Erkundung der SchUM-Städte findet Ihr hier: https://schumstaedte.de/ 

Die SchUM-Stadt Worms

Die zweite SchUM-Stadt am Rhein ist Warmaisa – oder Worms, wie es heute gemeinhin heißt. Im Mittelalter genoss die jüdische Gemeinde Worms als "Klein-Jerusalem am Rhein" ein hohes Ansehen im ganzen westeuropäischen Raum. Bis heute sind einzigartige Zeugnisse jüdischen Lebens in Worms zu besichtigen.

Verlässt man die Wormser Altstadt über die dem Rhein abgewandte Seite, stößt man bald hinter dem Dom auf den jüdischen Friedhof Heiliger Sand. Die ältesten der überlieferten rund 2.500 Grabsteine gehen zurück ins 11. Jahrhundert, was den alten Wormser Friedhof zum ältesten erhaltenen jüdischen Friedhof Europas macht. Fromme Juden aus aller Welt besuchen vor allem die Gräber von Rabbinern aus dem ausgehenden Mittelalter.

Am nördlichen Ende der Altstadt befindet sich zwischen Martinspforte und Altem Tor das alte jüdische Viertel mit Judengasse und Synagogenplatz. Die von den Nationalsozialisten zerstörte Synagoge wurde nach dem Zweiten Weltkrieg glücklicherweise rekonstruiert und kann wieder besichtigt werden. In direkter Nachbarschaft befinden sich eine erhaltene Mikwe (Ritualbad) und das Jüdische Museum im Raschi-Haus, der ehemaligen Rabbinerwohnung. Benannt ist das nach Rabbi Schlomo ben Jizchak (1040/1041 bis 1105), ein französischer Rabbiner, maßgeblicher Kommentator des Tanach und Talmuds und einer der bedeutendsten jüdischen Gelehrten des Mittelalters. Er wirkte hier eine ganze Zeit lang. Im Museum erwartet Euch eine Sammlung zu Religion und Alltag der jüdischen Gemeinde vom Mittelalter bis ins 20. Jahrhundert.

Gesammelte Informationen zum jüdischen Worms findet Ihr hier.

Die SchUM-Stadt Mainz

Als dritte unter den sog. SchUM-Städten bietet Mainz einen interessanten Mix aus Historie und Moderne. Der alte Friedhof Judensand ist nur unwesentlich jünger als der Heilige Sand in Worms und ebenso sehenswert. Vom Mittelalter bis ins 19. Jahrhundert wurde der Friedhof von den Mainzer Juden genutzt, der damit ein beeindruckendes Zeugnis abgibt für die lange und wechselhafte Geschichte der Gemeinde. Die Anlage befindet sich an der Mombacher Straße und ist nur wenige Schritte vom Mainzer Hauptbahnhof entfernt. Interessant ist aber auch der neuere Jüdische Friedhof der Stadt.

Die Neue Synagoge Mainz in der Neustadt macht dagegen einen wesentlich moderneren Eindruck, doch auch hier wurden Geschichte und Gegenwart geschickt miteinander verbunden. Am Standort der alten Hauptsynagoge befindet sich seit 2010 der Neubau, der in der NZZ gelobt wurde, als das "vielleicht weltweit interessanteste Synagogenprojekt."

Die Jüdische Gemeinde Mainz informiert über den Neubau und Besuchsmöglichkeiten hier: http://jgmainz.de/index.html 

Weiteres zum Mainzer Judensand erfahrt Ihr hier.

Monumentale Mikwe in Friedberg

Blick in die mittelalteriche Mikwe in Friedberg
Blick in die mittelalteriche Mikwe in Friedberg. Foto © Markus Nowak

Ist das zu glauben? In Friedberg in der Wetterau nördlich von Frankfurt lebten zeitweise mehr Juden als Christen! Schon ab ca. 1240, kurz nach Gründung der Freien Reichsstadt Friedberg, gab es hier eine wachsende jüdische Gemeinde. Bereits 1260 stiftete Isaac Koblenz den Bau einer Mikwe, eines Ritualbades. Seine Architektur ist einmalig! Die 25 Meter tiefe Schachtanlage ist noch heute über Treppen bis zum Grundwasserspiegel begehbar. Das Friedberger Judenbad gilt deutschlandweit als größte der erhaltenen Mikwen aus dem Mittelalter. In der "Judengasse" – parallel zur Hauptstraße (heutige Kaiserstraße) gelegen – konzentrierte sich über lange Jahre jüdisches Leben. Hier lagen die "Juddenschule" – die Synagoge – und das "Judenbad".

Ein Besuch dieses Städtchens mit seinen ehemals jüdischen Orten ist sehr empfehlenswert! Das Museumsteam war schon bei seinem Betriebsausflug 2016 hier. Im oberirdischen Teil des Gebäudes, in dem die Mikwe liegt, ist ein kleines Museum eingerichtet. In einem kleinen Innenhof liegt der Eingang zu dem unterirdischen Bad. Unbedingt Fotos machen: Der Lichteinfall und die Wasserspiegelung sind spektakulär schön!

Weitere Infos zur jüdischen Geschichte Friedbergs findet Ihr hier:

Bad Nauheim

Auch ein Besuch in Bad Nauheim etwas nördlich von Friedberg lohnt sich! Die jüdische Geschichte der Stadt reicht bis ins Mittelalter zurück. Ein erster sicherer Nachweis findet sich aus dem Jahr 1464. Der Aufschwung zum Kur- und Badeort im Laufe des 19. Jahrhunderts führte nach und nach immer mehr jüdische Menschen in die zuvor noch recht unbedeutende Stadt. Die Ende des 19. Jahrhunderts errichtete erste Synagoge auf der Karlsstraße wurde bald zu klein für so viele Gemeindemitglieder – ein Neubau musste her.

Diese neue Synagoge ist eine der wenigen im Stil der Neuen Sachlichkeit. Sie wurde im Jahr 1929 durch den Frankfurter Architekten Richard Kauffmann errichtet. Bekannt ist der den Prinzipien des Bauhauses zugewandte Stadtplaner unter anderem für die Planung des Viertels Weiße Stadt in Tel Aviv-Jaffa.

Obgleich ihre Inneneinrichtung beim Novemberpogrom 1938 völlig zerstört wurde, konnte die Synagoge noch im letzten Moment vor der endgültigen Verwüstung durch ein Feuer gerettet werden. Bereits Anfang des Jahres 1945 wurde sie notdürftig wiederhergestellt und schon am 27. April 1945 – noch vor der bedingungslosen Kapitulation Nazi-Deutschlands – fand in der Synagoge erstmals wieder ein Gottesdienst statt. Zuletzt wurde die Synagoge in den 1980er Jahren umfangreich saniert. Sie wird heute wieder in alter Form von der Jüdischen Gemeinde Bad Nauheims genutzt. Dort könnt Ihr auch Führungen durch die Synagoge buchen.

Ein Denkmal für die 270 während des Nationalsozialismus ermordeten Juden wurde 2016 in der Parkstraße errichtet.

Führungen in Frankfurt

Wenn Ihr tiefer in die Frankfurter jüdische Geschichte eintauchen wollt, empfehlen wir Euch unsere Stadtrundgänge und Friedhofsführungen. Die könnt Ihr individuell buchen, ob zu zweit, als Familie oder mit einer größeren Gruppe. 

Eine Menschengruppe ist gemeinsam unterwegs in Frankfurt auf einer Stadtführung des Jüdischen Museums

Bad Soden

In Bad Soden könnt Ihr gleich mehrere Orte jüdischer Geschichte besuchen. Der Jüdische Friedhof der Stadt existiert bereits seit 1873. Die meist aus Sandstein oder Granit bestehenden Grabsteine faszinieren durch ihre große Formenvielfalt: Stelen, Obeliske, Rahmenplatten oder stilisierte Thoraschreine, verziert mit den verschiedensten Schmuckelementen, reihen sich dort aneinander. Sie alle sind in Richtung Süd-Osten – in Richtung Jerusalem – ausgerichtet. Der Friedhof, der als Hessisches Kulturdenkmal eingestuft ist, eignet sich hervorragend für einen gediegenen Spaziergang. Die hohen Bäume auf dem Areal spenden dabei wohltuenden Schatten. Der Friedhof gehört der Jüdischen Gemeinde in Wiesbaden und kann auf Anfrage und während der von der Stadtverwaltung angebotenen Führungen (außer an Samstagen und jüdischen Feiertagen) besucht werden. Den Schlüssel bekommt Ihr im Bürgerbüro im Paulinenschlößchen.

Vor oder nach Eurem Friedhofsbesuch solltet Ihr euch unbedingt die Villa Rothschild im wunderschönen Kurpark der Stadt anschauen. Sie wurde um 1904 durch den Lungenspezialisten Dr. David Rothschild erbaut und sollte mit ihren zahlreichen Röntgenabteilungen der Bekämpfung von Lungentuberkulose dienen. Die Villa befindet sich heute in Privatbesitz.

Auf den Spuren des "Wunderrabbis" in Michelstadt

Für Wanderfreund*innen ist der Odenwald ein Muss. Wer dort etwas zur jüdischen Geschichte der Gegend lernen möchte, kann das im malerischen Michelstadt tun. Auf dem dortigen jüdischen Friedhof liegt der als "Wunderrabbi" bezeichnete Seckel Löb Wormser (1768-1847) begraben, auch "Baal Schem von Michelstadt" genannt. Seit dem 19. Jahrhundert reisen Menschen aller Religionen und Konfessionen an sein Grab, um zu beten.

Obwohl seine Grabstätte von Nationalsozialisten geschändet wurde und der originale Grabstein verlorenging, pilgern auch heute noch vor allem traditionelle Juden aus aller Welt hierher. Im nahegelegenen Ort könnt Ihr auf dem Rückweg noch das erhaltene Gebäude der Synagoge Michelstadt besichtigen, das heute auch wieder als Gebetshaus der dortogen Gemeinde dient. Darin befindet sich auch ein Museum, in dem Ihr mehr über die lange Geschichte der Odenwälder Juden erfahren könnt.

Weitere Informationen zum Besuch der Synagoge erhaltet Ihr hier. Die FAZ berichtete 2005 über den Wunderrabbi und seine Taten (zum Artikel).

Zimmermann-Strauss-Museum in Nidda

Mit Hilfe von Siegfried (Fred) Strauss, einem jüdischen Bürger Niddas, dem in der NS-Zeit die Flucht in die USA gelang, konnte dieses Haus erworben werden, in dem heute das Museum untergebracht ist.‍ Quelle: www.niddas-juden.de

Die Stadt Nidda im Wetteraukreis nördlich von Frankfurt hat ebenfalls eine lange Geschichte jüdischen Lebens. Anfang des 20. Jahrhunderts lebten ca. 100 Juden dort, wtwa die Hälfte konnte vor dem Zweiten Weltkrieg fliehen, die übrigen wurden während der Schoa ermordet. Das Zimmermann-Strauss-Museum mit angeschlossener Bibliothek widmet sich dieser Geschichte. Getragen wird das Museum einem Verein. In der Dauerasstellung erfahrt Ihr mehr über das Alltagsleben, die Religion und die Geschichte der jüdischen Gemeinde in Nidda sowie über die Synagoge und die Schicksale jüdischer Familien während der NS-Zeit. Zu sehen sind Ritual- und Alltagsgegenstände, Fotos, Dokumente und vieles mehr. 

Jüdisches Fürth

Wer sich für jüdische Geschichte und Kultur interessiert, für den/die lohnt auch ein Abstecher ins schöne Mittelfranken. Das Jüdisches Museum Franken präsentiert sich nach einer kurzen Phase der Schließung in neuem Gewand: Am 13. Mai 2018 eröffnete der Erweiterungsbau des Museums in der Fürther Innenstadt. Die Ausstellung wurde erweitert und neu arrangiert. Auch die Bibliothek des Museums sowie das eigene Café wurden vergrößert und laden Besucher*innen zusätzlich zur regulären Besichtigung zum Verweilen ein.

Neben den Außenstellen des Museums in Schnaittach und Schwabach im Umland lohnt es sich nun also besonders, dem Haupthaus in Fürth einen Besuch abzustatten. Als Team des Jüdischen Museums Frankfurt statteten wir im Herbst 2018 dem Jüdischen Museum Franken einen Besuch ab und waren hellauf begeistert.

Weitere Informationen zum Museum erhaltet Ihr hier: http://www.juedisches-museum.org/

Jüdisches Kulturerbe in Erfurt

Blick in die Alte Synagoge von Erfurt mit Projektion des Thora-Schreins
Blick in die Alte Synagoge von Erfurt mit Projektion des Thora-Schreins © Deutsche UNESCO-Kommission

Nicht direkt um die Ecke, aber durchaus gut von Frankfurt zu erreichen, liegt Erfurt. Das Jüdische-Mittelalterliche Erbe der Stadt wurde 2023 in das UNESCO-Welterbe der Menschheit aufgenommen. Die Stätte umfasst die Alte Synagoge, die Mikwe, ein rituelles Bad, und das Steinerne Haus, ein historisches Wohngebäude in Thüringens Landeshauptstadt. Die Alte Synagoge gilt heute als eine der ältesten erhaltenen in Europa. Ihre Geschichte lässt sich bis ins späte 11. Jahrhundert zurückverfolgen.

Das jüdische Erbe Erfurts zeigt die Infrastruktur einer jüdischen mittelalterlichen Gemeinde in Europa und gibt Zeugnis vom Zusammenleben jüdischer und christlicher Nachbarn, aber auch von Pogromen und Vertreibung. In diesem Film erfahrt Ihr mehr darüber.

Das neue Einstein-Museum in Ulm

Das Wohnhaus von Albert Einsteins Großmutter Helene am Weinhof 19.
Das Wohnhaus von Einsteins Großmutter Helene am Weinhof 19 in Ulm.

Seit Jahrzehnten wartete Ulm darauf: Am 6. Juli 2024 eröffnete die neue Dauerausstellung "Die Einsteins - Museum einer Ulmer Familie". Albert Einstein, das Jahrhundertgenie, der weltberühmte Physiker und Nobelpreisträger, wurde 1879 in Ulm geboren. Dieser Tatsache trägt die Stadt Ulm mit dieser Ausstellung Rechnung, indem sie ein Museum eigenes einrichtete. Das Haus am Weinhof in Ulm beleuchtet die vielfältigen Schicksale der Familie Einstein. Das Museum ist im historischen Gebäude des "Engländers" untergebracht, in dem einst Einsteins Großmutter wohnte und die Bettfedernfabrik "Israel & Levi" von seinen Verwandten betrieben wurde. Zur Eröffnung hielt unsere Direktorin Mirjam Wenzel eine Festrede. Hier erfahrt Ihr mehr über das neue, sehr empfehlenswerte Museum.

Habt Ihr weitere Ausflugstipps?

Unsere Liste interessanter Ausflugsziele zu Orten jüdischer Geschichte in der Region bietet natürlich nur eine Auswahl. Welche anderen Orte findet Ihr besonders empfehlenswert? Schreibt uns gerne eine Email oder postet Eure Empfehlungen in die Kommentare. Wir ergänzen diesen Beitrag dann gerne.

Schlagwortsammlung

Kommentare

Ein toller Beitrag! Vielen Beitrag für die vielen Tipps, Worms ist ganz gewiss als Ziel nun fest eingeplant - und wer die Mikwe in Friedberg noch nicht gesehen hat, weiß spätestens jetzt, wo er/sie als Nächstes hin muss!

25.07.2023 • Martin

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