Collage mit Porträts jüdischer Akteur:innen des Neuen Frankfurt

100 Jahre Neues Frankfurt

Jüdische Beteiligte eines Modernisierungsprojekts
08. Mai 2025

2025 begeht die Stadt Frankfurt das 100-jährige Jubiläum eines Modernisierungsschubs, der den programmatischen Titel "Das Neue Frankfurt" trägt. Wir zeigen zu diesem Anlass eine Pop-up-Präsentation vor dem Jüdischen Museum über wichtige jüdische Beteiligte des Neuen Frankfurt. In diesem Beitrag stellen wir diese Personen vor.

Ludwig Landmann-Preis für Mut und Haltung

Den Auftakt zum Jubiläumsjahr bildet die Verleihung des Ludwig Landmann-Preises für Mut und Haltung der Gesellschaft der Freunde und Förderer des Jüdischen Museums am 20. Mai 2025. Damit wird auch die erste Pop-up-Präsentation auf dem Bertha-Pappenheim-Platz und in der Bibliothek des Museums eröffnet. 

Die Verleihung übertragen wir live via YouTube.

Ludwig Landmann © Jüdisches Museum Frankfurt

Fritz Nathan (1891 – 1960)

Fritz Nathan: © Doris Nathan
Fritz Nathan © Doris Nathan

Fritz Nathan wird 1891 in Bingen in eine jüdische Weinhändler-Familie geboren und studiert Architektur in Darmstadt und München. Nach seinem Dienst als Soldat im Ersten Weltkrieg macht er sich 1923 in Frankfurt als Architekt selbstständig. Er entwirft rund 100 Bauten für diese Stadt, darunter Siedlungen, Warenhäuser, Kinos, Fabriken, Krankenhäuser und Schulen. Besondere Anerkennung erhält er für seinen Entwurf des Neuen Jüdischen Friedhofs an der Eckenheimer Landstraße, den er 1928/29 realisiert. Dieser Friedhof wird bis heute von der Jüdischen Gemeinde Frankfurt genutzt und ist ein eindrucksvolles Beispiel sakraler Baukunst. 1938 muss Fritz Nathan mit seiner Familie in die Niederlande fliehen und wandert ein Jahr später in die USA aus. Dort spezialisiert er sich auf den Bau von Synagogen und Gemeindezentren. Fritz Nathan stirbt am 3. November 1960 in New York.

Ilse Bing (1899 – 1998)

Selbsporträt von Ilse Bing
Ilse Bing; Historisches Museum Frankfurt © Estate of Ilse Bing, James Bauer

Um ihre kunsthistorische Dissertation mit Fotografien zu versehen, besorgt sich Ilse Bing um 1924 eine Kamera. Sie experimentiert mit dem Apparat und kauft sich später eine Leica. Ab 1929 fertigt sie Reportagen an und arbeitet als Fotojournalistin. Ihre Fotografien werden unter anderem in der Zeitschrift „Das Neue Frankfurt“ abgedruckt. Ende 1930 zieht Bing nach Paris um und kann ihre Bilder auch in französischen Illustrierten veröffentlichen. Alsbald präsentiert sie ihre Arbeiten auf ersten Ausstellungen zeitgenössischer Fotografie. Mit ihrem Mann Konrad Wolff flieht sie 1941 vor den nationalsozialistischen Verfolgungen nach New York, wo sie ihren Unterhalt vor allem als Werbe- und Porträtfotografin verdient. 1959 gibt Ilse Bing die Fotografie auf, arbeitet als Hundepflegerin und produziert Collagen, Zeichnungen und Gedichte. Sie stirbt 1998 in New York.

Ferdinand Kramer (1898 – 1985)

Foto des Architekten Ferdinand Kramer
Ferdinand Kramer. Institut für Stadtgeschichte Frankfurt, Foto: Paul Wolff (gemeinfrei)

Der Architekt und Designer Ferdinand Kramer kommt 1898 in Frankfurt zur Welt. Seine nicht-jüdischen Eltern führen das Geschäft „Hutlager G. Kramer“. 1925 vertraut Stadtbaurat Ernst May ihm die Leitung der Abteilung für Typisierung im Frankfurter Planungsdezernat an. In dieser Position verantwortet er unter anderem die Entwicklung kostengünstiger Interieurs. Zusammen mit Eugen Blanck entwirft er die Siedlung Westhausen (erbaut 1929 – 1931). Auch am Bau des Altersheims der Henry und Emma Budge-Stiftung wirkt er mit. 1937 verhängen ihm die Nationalsozialisten Berufsverbot. Ein Jahr später retten sich Kramer und seine jüdische Ehefrau, die Modedesignerin Beate Kramer, geb. Feith, in die USA. Dort arbeitet Kramer als Architekt und Industriedesigner. Anfang der 1950er Jahre kehrt er nach Frankfurt zurück, übernimmt bis 1964 die Leitung des Bauamts der Frankfurter Universität und realisiert für diese 23 Hochschulgebäude.

Erna Pinner (1890 - 1987)

Erna Pinner in Ägypten
Erna Pinner bei einer ihrer Reisen in Ägypten © The Estate of Erna Pinner

Erna Pinner, 1890 in Frankfurt am Main geboren, beginnt mit 17 Jahren am Städelschen Kunstinstitut zu studieren. 1908 zieht sie nach Berlin, um bei Lovis Corinth zu lernen, und schließlich weiter nach Paris, die europäische Hauptstadt der damaligen Bildenden Kunstszene. Mit Ausbruch des Ersten Weltkrieges kehrt sie nach Frankfurt zurück.

1916 lernt sie Kasimir Edschmid kennen, den Mitbegründer der Darmstädter Sezession. Zusammen bereisen sie Südeuropa, Südamerika sowie Afrika und verarbeiten ihre Erfahrungen in Publikationen.

Erna Pinners Werk umfasst zahlreiche Reisebilder sowie Zeichnungen von Tieren. Mit diesen Tierporträts entwickelt sie sich zu einer gefragten Illustratorin mit einem ganz eigenen Stil, der von leichten, durchbrochenen Linien gekennzeichnet ist. 1926 stellt sie ihre Tierzeichnungen in Frankfurt aus. Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten werden ihr Leben und ihre Arbeit zunehmend eingeschränkt. 1935 emigriert Erna Pinner nach London.

Ernst May (1886 – 1970)

Foto von Ernst May
Ernst May; Institut für Stadtgeschichte Frankfurt © unbekannt

1886 als Sohn von Jenny Clara May, geb. Pollitz, und des Lederwaren-Herstellers Adam May in Frankfurt geboren, wird der Architekt Ernst May 1925 von Oberbürgermeister Ludwig Landmann zum Stadtbaurat ernannt. Mit seinem Team junger Architekten, Gestalter und Techniker wird er zur zentralen Figur des Neuen Frankfurt. Prägend hierfür sind der Siedlungsbau und die Einführung genormter Bauteile, aber auch ein sozialreformerischer Ansatz. 1930 folgt May einer Einladung in die Sowjetunion und entwirft Bebauungspläne für Industriestädte. Als ihm klar wird, dass er seine Konzepte unter Stalin nicht realisieren kann, verlässt er Ende 1933 die UdSSR. Da Goebbels ihn in einer Radioansprache direkt angreift, emigriert May nach Ostafrika. Dort erwirbt er eine Farm und eröffnet ein Architekturbüro. Nach 1945 kehrt er zurück und arbeitet in Hamburg, Wiesbaden und Mainz.

Nelly Schwabacher (1899 – 1957)

Foto der Grafikerin Nelly Schwabacher mit Kind
Nelly Schwabacher © United States Holocaust Memorial Museum Collection, Schenkung Michael G. Rossmann

Nelly (Cornelia Bertha) Schwabacher wird 1899 als Tochter von zwei alteingesessenen jüdischen Münzhändler-Familien in Frankfurt geboren. Ab 1916 studiert sie in den Technischen Lehranstalten in Offenburg, danach an der Kunstgewerbeschule Frankfurt, wo sie Schülerin des Bildhauers Benno Elkan wird. Sie bewirbt sich am Bauhaus in Weimar und besucht von 1919 bis 1921 die Klassen für Holzbildhauerei und Werkzeichnen. In Frankfurt ist sie weiterhin als Grafikerin tätig und später in Festanstellung bei der Frankfurter Zeitung. Sie heiratet den Journalisten Alexandre Rossmann, der sich allerdings Mitte der 1930er Jahre von seiner jüdischen Frau scheiden lässt. Während eines Besuchs bei ihren Eltern, die nach England emigriert sind, bricht der Krieg aus. Nelly Schwabacher bleibt mit ihrem Sohn dort. In London arbeitet sie unter anderem für das deutschsprachige Exilblatt „Die Zeitung“.

Hans Flesch (1896, zum 31.12.1945 für tot erklärt)

Foto des Rundfunkpioniers Hans Flesch
Hans Flesch © Stiftung Deutsches Rundfunkarchiv, Foto: Nini & Carry Hess

Hans Flesch kommt 1896 in Frankfurt als Sohn des Politikers und Sozialreformers Karl Flesch zur Welt, dessen jüdische Eltern zum Protestantismus übergetreten sind. Hans Flesch studiert Medizin und entwickelt sich zum Rundfunkpionier. Ab 1924 wirkt er als künstlerischer Leiter, Regisseur und Sprecher der Südwestdeutschen Rundfunkdienst AG. Mit „Zauberei auf dem Sender“ verfasst Flesch 1924 das erste deutschsprachige Hörspiel. Unter seiner Leitung beginnen Bertolt Brecht, Walter Benjamin und Theodor W. Adorno für den Rundfunk zu arbeiten. 1929 wird er Intendant der Berliner Funkstunde AG. Im August 1933 wird er inhaftiert und ins KZ Oranienburg, später bis November 1934 ins Gefängnis Moabit verschleppt. Als Arzt zum Militärdienst zwangsverpflichtet, arbeitet er gegen Ende des Zweiten Weltkriegs in Crossen an der Oder, wo er ein Lazarett einrichten soll. Ab April 1945 gilt er als verschollen.

Ludwig Wolpert (1900 – 1981)

Foto des Bildhauers und Designers Ludwig Wolpert
Ludwig Wolpert; Familie Wolpert

Ludwig Yehuda Wolpert kommt 1900 als Sohn einer traditionell-jüdischen Familie in Hildesheim zur Welt. Von 1916 bis 1920 studiert er Bildhauerei an der Frankfurter Kunstgewerbeschule, ab 1925 erlernt er bei Christian Dell den Umgang mit Metallen im Bauhaus-Stil. Er gilt als „Vater der modernen Judaica“ und einer der einflussreichsten Designer sakraler jüdischer Objekte. In Frankfurt gestaltet er seine ersten funktionalen und modernen Judaica-Objekte. 1933 wandert er nach Palästina aus, wo er 1935 zum Professor an der Bezalel Academy of Arts and Design in Jerusalem ernannt wird. Dort unterrichtet er traditionelle Silberschmiedekunst verknüpft mit modernen Bauhaus- und Art-Deco-Elementen. 1956 richtet Wolpert eine Werkstatt für Silberschmiedekunst am Jewish Museum New York ein und unterrichtet auch als Professor an der University of Judaism in Los Angeles.

Noch keine Kommentare. Diskutieren Sie mit.

Ihr Kommentar

* / Plichtfelder